Die niederländischen WählerInnen sagten „Nee“ zum Assoziierungsabkommen mit der Ukraine

Probleme mit der Meinung des Volkes

Von Uli Brockmeyer

Ein Flugblatt der Neuen Kommunistischen Partei der Niederlande: „Stoppt den Faschismus in der Ukraine“

Ein Flugblatt der Neuen Kommunistischen Partei der Niederlande: „Stoppt den Faschismus in der Ukraine“

Die Niederländer haben schlechte Erfahrungen, wenn es darum geht, wie mit der Meinung des Volkes umgegangen wird. Als im Jahr 2005 eine Mehrheit der Wahlberechtigten beim Referendum gegen den Entwurf eines Verfassungsvertrages für die Europäische Union stimmte, wollten das die Herrschenden und ihre Lakaien in den Brüsseler Führungsetagen keinesfalls akzeptieren. Das Projekt wurde zwar dennoch gestoppt, nachdem es bei der Volksabstimmung in Frankreich ebenfalls durchgefallen war, aber der Vertrag wurde dann lediglich in einigen Punkten umgeschrieben und unter anderem Namen beschlossen – ohne noch einmal nach Volkes Meinung zu fragen.

Wenn nun 61 Prozent der Niederländer beim Referendum vom 6. April wieder einmal mit „NEE“ gestimmt haben, dann sicher auch in Erinnerung an jene Vorgänge von 2005. Diejenigen Politiker und Journalisten, die meinen, das Ergebnis des Referendums so zu deuten, dass „Euroskeptiker“ und „Putin-Freunde“ gegen die Ukraine und die EU gestimmt und damit Russland zu einem Sieg verholfen hätten, haben die Zusammenhänge nicht verstanden – oder wollen sie nicht verstehen. Denn der Ausgang dieses Votums ist ganz offensichtlich der Ausdruck einer allgemein um sich greifenden Unzufriedenheit mit der Politik der EU und deren Umsetzung durch die eigene Regierung.

Zwar ging es am Mittwoch vergangener Woche „nur“ um die Frage, ob dem Assoziierungsabkommen der EU mit der Ukraine zugestimmt werden soll oder nicht, aber dieses Thema lässt sich nicht trennen von den politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen. Die von der EU-Führung – vornehmlich auf deutschen Druck – verordnete Austeritätspolitik, die zunehmende Militarisierung, die auch in der Teilnahme niederländischer Soldaten an aktuellen Kriegen zum Ausdruck kommt, der unkritische Umgang mit Menschenrechtsverletzungen in der Ukraine, die konzeptionslose Flüchtlingspolitik und viele andere Themen haben sicher für das Abstimmungsverhalten eine Rolle gespielt.

Immerhin war das Assoziierungsabkommen einer der Auslöser der akuten Krise in der Ukraine, die letztlich zum Putsch in Kiew geführt hat, und dazu, dass sich der Osten der Ukraine gegen das Regime in Kiew auflehnte. Eine der vielen Folgen war der Abschuss einer Passagiermaschine mit überwiegend niederländischen Insassen. Die Aufklärung dieses Verbrechens wird immer weiter hinausgezögert und von maßgeblichen Kreisen sabotiert, nachdem sich die Indizien dafür häuften, dass eben nicht Russland oder „prorussische Separatisten“, sondern vermutlich das Kiewer Regime dafür verantwortlich ist. Auch die Sanktionen gegen Russland, verhängt unter dem Vorwand der „Ukraine-Krise“, sind nicht gerade ein Beispiel für eine konstruktive Politik.

Das Ergebnis des Referendums ist also eine generelle Kritik an der Politik der EU, am Charakter dieses im Entstehen begriffenen supranationalen Staates. Wenn nun das Abkommen mit der Ukraine dennoch umgesetzt wird, dann wird das eben diese kritische Haltung noch verstärken.

„Wir werden jetzt Schritt für Schritt an den nächsten Schritten arbeiten.“

Mark Rutte, niederländischer Ministerpräsident, laut FAZ vom 8.4.16

Kritiker des Referendums werden anmerken, dass gerade mal 32 Prozent der Wahlberechtigten teilgenommen haben. Dieselben Kritiker haben jedoch nichts dagegen einzuwenden, wenn in den USA ein Präsident von etwa der Hälfte der Wählenden bestimmt wird, und das bei einer Beteiligung von um die 50 Prozent. Wenn also „der mächtigste Mann der Welt“ von nur einem Viertel der Wähler unterstützt wird – dann sollte man das Votum vom 6. April auch mit gebührendem Ernst betrachten. Zumal die Bürger in den anderen 27 EU-Staaten gar nicht erst nach ihrer Meinung gefragt wurden.

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"Probleme mit der Meinung des Volkes", UZ vom 15. April 2016



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