Um es gleich vorweg zu sagen: Die in dem meisten Medien verwendeten Begrifflichkeiten im Zusammenhang mit der jüngsten Debatte um den Wegfall der Entschädigungsleistungen bei angeordneter Quarantäne sind falsch:
Es geht nicht um eine Änderung oder Einschränkung des Grundsatzes der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, die Lohnfortzahlung bleibt erhalten. Es geht „nur“ um die behördliche Anordnung einer Quarantäne nach dem Infektionsschutzgesetz.
Nach diesem Gesetz (und nicht nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz) haben in Quarantäne befindliche „Arbeitnehmer“ einen Anspruch auf staatliche Entschädigung für die Zeit ihres Ausfalls.
Die „Arbeitgeber“ zahlen ganz normal das Gehalt weiter, lassen sich aber vom „Arbeitnehmer“ deren Anspruch auf staatliche Entschädigung abtreten und erhalten auf diese Weise einen Ausgleich für die Gehaltszahlung im Falle der Quarantäne.
Neu ist, dass der „Arbeitgeber“ nun den Behörden den Impfstatus des Betroffenen mitteilen muss. Dies kann dazu führen, dass keine Entschädigung (auch nicht an den „Arbeitgeber“) gezahlt wird, wenn der Beschäftigte die Quarantäne durch eine ihm mögliche Impfung hätte vermeiden können.
Die Folge dieser Regelung ist ein ziemliches Chaos in den jeweiligen Arbeitsverhältnissen: Da es sich ja nicht um eine Erkrankung des „Arbeitnehmers“ handelte, hätte der Beschäftigte seine „Verhinderung der Arbeitsleistung“ nach § 616 BGB selbst verschuldet, sodass der „Arbeitgeber“ grundsätzlich von ihm erbrachte Zahlungen zurückverlangen könnte. Möglich ist dies aber nur, wenn der Betroffene nicht (mehr) rechtsgrundlos „bereichert“ ist. Streit darüber ist programmiert. Unternehmen werden indirekt zur Lohnverweigerung veranlasst, Beschäftigte müssen ihren Gehaltsausfall klageweise durchsetzen. Andererseits ist der Streit aber dann gegenstandslos, wenn auch eine Erkrankung vorlag, denn dann tritt die normale Lohnfortzahlungspflicht des „Arbeitgebers“ wieder ein. Hinzu kommt, dass eine Impfung möglich gewesen sein muss. Dies wäre nicht der Fall, wenn sie aus gesundheitlichen Gründen ausgeschlossen war.
Die rechtlichen Möglichkeiten von Betriebsräten dürften durch den „Gesetzesvorbehalt“ nach § 87 BetrVG eingeschränkt sein, denn die Regelung ist ja Bestandteil eines Gesetzes.
Wegen der Vielzahl ungeklärter Fragen steht die (sich eigentlich schon aus dem Gesetz ergebende) Regelung auf wackligen Füßen. Einerseits, weil sie zu einer indirekten und zwar dann durch die „Arbeitgeber“ durchgesetzten Impfpflicht führen würde, andererseits aber wegen der datenschutzrechtlichen Fragen im Zusammenhang mit den vom „Arbeitgeber“ verlangten Angaben zum Gesundheits- und Impfstatus der betroffenen Beschäftigten.
Letztlich ist die Regelung ein weiteres Armutszeugnis des neoliberalen Staates: Er schiebt das Problem der Impfpflicht auf die Beziehungen zwischen „Arbeitgeber“ und „Arbeitnehmer“, anstatt sich konsequent für oder gegen eine staatliche Impfpflicht bei akut drohenden pandemischen Erkrankungen zu entscheiden.