Berliner Senat will Schattenhaushalt für Schulen

Private Renditen steigern

Von Uli Scholz

Der vollständige Text erschien in Heft 2/2017 der Marxistischen Blätter, wir danken für die freundliche Abdruckgenehmigung.

Neue Nikolaischule – Gymnasium der Stadt Leipzig

Neue Nikolaischule – Gymnasium der Stadt Leipzig

( Joeb07 / Lizenz: CC BY 3.0)

Bis 2024 fehlen allein in Berlin aufgrund steigender Schülerzahlen 60 bis 80 neue Schulen, was bei der Durchschnittsfrist von acht Jahren zwischen Planung und Übergabe eine dringliche Notlage ist. Um ein zwei- bis dreimal größeres Finanzierungsvolumen geht es bei der Sanierung. Die dafür vorgesehenen Landesmittel sind in den beiden vergangenen Jahren nur zu sieben bzw. zu 15 Prozent ausgegeben worden, allein schon die Bestandaufnahme der Schäden hatte wegen Personalmangels mehrere Jahre gedauert. In Berlin verrichten statt einer Viertelmillion (1992) nun nur noch 110 000 Beamte und Angestellte die Aufgaben des öffentlichen Dienstes. Für die bauliche Unterhaltung der Verkehrsinfrastruktur und der öffentlichen Gebäude sind im Wesentlichen die 12 Bezirke zuständig, denen allerdings die fürs Personal zuständigen Landesregierungen die Stellen weggekürzt haben.

Die Parteien des im vergangenen Herbst gewählten Senats hatten vor der Wahl Vorschläge zum Bau und zur Sanierung von Schulen gemacht. So steht es denn auch – verklausuliert – im Koalitionsvertrag: Schulbau und Sanierung sollen durch privatrechtliche Kredite finanziert werden, deren Kapital im Vergleich zu Staatsanleihen erheblich höher verzinst werden würde. Als Begründung dient die Versicherung, so die Schuldenbremse umgehen zu können, da die Kosten als Mietzahlungen des Senats an eine oder mehrere Infrastrukturgesellschaften wie in einem Schattenhaushalt verschwinden würden.

Für derartige öffentlich-öffentliche Partnerschaften (ÖÖP), als PPP-s kleine Schwester, werben auch Birgit Keller, Benjamin-Immanuel Hoff und Alexander Fischer, Minister in Thüringen bzw. Staatssekretär in Berlin. Sie sehen ÖÖP „als Hebel zur Mobilisierung zusätzlicher Finanzmittel am Kreditmarkt“, wollen in Auswertung der Hamburger Erfahrungen ihre „neokeynesianische Strategie“ aber nicht mit dem Versprechen verbinden, öffentliche Ausgaben billiger zu erledigen. Im Unterschied zu Hamburg hätte sich eine Infrastrukturgesellschaft auf den Bau und die Sanierung von Schulgebäuden zu beschränken und würde nicht auch noch an der Unterhaltung verdienen. Diese weniger militante Strategie widerspricht aber den Absichten der Berliner Senatsparteien, die landeseigene Unternehmen laut Koalitionsvertrag betriebswirtschaftlich „an vergleichbaren Unternehmen messen“ wollen, also Privatunternehmen. Der bündnisgrüne Koalitionspartner hat angekündigt, die Betriebskosten der Berliner Schulen analog zu Hamburg „spitz“ abrechnen zu wollen. Die widersprüchlichen Absichten werden nun hinter verschlossenen Türen verhandelt, man plane „Berliner Strukturen, um das Ganze finanzieren zu können, im Rahmen der Schuldenbremse“, so die Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) im Februar 2017.

Wie eine fortschrittliche Investitionspolitik durchzusetzen wäre, bleibt in der Argumentation von Keller, Hoff und Fischer auch deswegen offen, weil sie ihre „Erkenntnis“ nicht begründen, dass der über Jahre aufgebaute milliardenschwere Investitionsstau an den Berliner Schulen nicht mittels einer konventionellen Haushaltsfinanzierung abgebaut werden kann. So bleibt unerklärlich, dass aktuell ein jährlicher Milliardenüberschuss im Berliner Landeshaushalt zum Neubau von elf Schulen in alleiniger Staatsregie genutzt werden soll, wie im Januar vorgestellte Senatspläne besagen. Es geht also auch, ohne das Finanzkapital zwischenzuschalten. Die Bewertung der Linkspolitiker, ÖÖP sei als Alternative zu PPP das kleinste Übel, ist einerseits nicht nachvollziehbar, fügt sich andererseits aber argumentativ in die Planungen auf Bundes- und Landesebene ein. Bei denen geht es auch darum, im Rahmen einer in Stein gemeißelten Ablehnung konventioneller Haushaltspolitik auch linke Kritiker in die staatsmonopolistische Rechtsetzung („Sachzwang“) mit einzubeziehen.

Die Argumente der Gewerkschaften sind bisher nicht durchgedrungen, obwohl sie die Wirtschaftlichkeit ihrer Alternativen – mehr Personal, mehr staatliche Investitionen – in den vergangenen Jahren durch Berechnungen belegt haben. Mehreren Studien zufolge sind öffentliche Investitionen im Vergleich zu privaten mit einem wesentlich höheren Multiplikatoreffekt verbunden, sodass jeder Euro, den der Staat investiert, zu einem Wachstum des Volkseinkommens um 1,30 Euro bis 1,80 Euro führt. Im Zusammenhang mit der Missachtung dieser makroökonomischen Erkenntnisse steht die Stagnation der Baubranche. Hier erzeugen bundesweit 300000 sozialversicherungspflichtig Arbeitende weniger denselben Umsatz wie im Jahr 2000. Mehr als ein Drittel der Stellen sind entfallen. Da in der von Kleinbetrieben geprägten Branche kaum Produktivitätsentwicklung stattgefunden hat, lässt der Stellenabbau auf verschärfte Ausbeutung schließen, v. a. auf eine massenhafte Tarifflucht, die ein radikaler Ausstieg des Staats aus der Sanierung und dem Bau neuer Schulen mit ermöglicht hat. Statt 45 Prozent (1995) gaben Länder und Kommunen 2015 nur noch 20 Prozent ihrer baulichen Investitionen für die Schulen aus. Die Zahl der Lehrlinge am Bau deckt seit 2014 angesichts wenig attraktiver Arbeitsbedingungen nicht mehr den ohnehin verringerten Bedarf, demgegenüber übertraf die Zahl der ausländischen Bauarbeiter 2015 erstmals seit 2003 wieder die 100000. Im Ergebnis fehlt nicht nur für die staatliche Planung, sondern auch die Durchführung der unabweisbaren Investitionen das nötige Personal, und zwar mit großen regionalen Unterschieden und vor allem dort, wo die Schulgebäude ohnehin schon in beklagenswertestem Zustand sind.

Die absurde Dysfunktionalität des öffentlichen Bauens – v. a. im Schulbereich – ist allerdings mit dem Potential verbunden, die andauernd krisenhafte Entwicklung des Finanzkapitals ein wenig abzuschwächen, und fügt sich daher nahtlos in die allgemeine Krise des Kapitalismus ein.

Im umrissenen Gesamtzusammenhang sollten die von den DGB- Gewerkschaften vertretenen Alternativen nun endlich durchgesetzt werden: Abschaffung der Steuerprivilegien für sehr hohe Vermögen und Einkommen, einheitliche Besteuerung sämtlicher Einkommensarten, Ausnahme öffentlicher Infrastrukturinvestitionen von der „Schuldenbremse“ und Stärkung der „personellen und institutionellen Kapazitäten der Kommunen“ sowie des regionalen Handwerks.

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"Private Renditen steigern", UZ vom 26. Mai 2017



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