Das Eisenbahnverkehrsunternehmen Keolis/eurobahn steht vor dem Arbeitskampf. Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) hat ihre Mitglieder in dem Unternehmen zur Urabstimmung gerufen. Das Ergebnis stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest.
Bereits seit Jahresbeginn schwelt dieser Konflikt. Nach den ersten drei ergebnislosen Verhandlungsrunden im Frühjahr und zwei durchgeführten Warnstreiks eskalierte die Situation, da die Geschäftsführung trotz Zusage kein Verhandlungsangebot unterbreitete und stattdessen mit der Lokführergewerkschaft GDL einen separaten Tarifvertrag abschloss. Streitpunkt ist unter anderem das Wahlmodell der EVG mit der Möglichkeit, die Arbeitszeit zu verkürzen.
Hierauf antworteten die Beschäftigten mit einem zweitägigen Warnstreik und einem Besuch in der Konzernzentrale von Keolis in Paris. Keolis – eine Tochtergesellschaft der französischen Staatsbahn SNCF – musste sich mit einer öffentlich beachteten Kundgebung und einer Solidaritätserklärung der französischen Gewerkschaft CGT der Staatsbahn SNCF auseinandersetzen und erklärte sich zu einem Gespräch bereit. Dazu nahmen die EVG-Mitglieder an einer Demonstration der Gewerkschaften in Paris teil und wurden in den Nachrichten des französischen Fernsehens interviewt. Doch der öffentliche Druck genügte nicht: Anstatt ein Verhandlungsangebot zu unterbreiten, kündigte Keolis einen weiteren Tarifvertrag und gab schließlich in der vierten Verhandlungsrunde offen zu, dass sie mit der EVG keinen Tarifvertrag abschließen wollen. Auch ein Spitzengespräch mit dem Vorsitzenden der EVG im Oktober brachte keine Fortschritte, so dass der Bundesvorstand der EVG nach einem engagierten Beitrag der EVG–Betriebsgruppe von Keolis Ende November die Schritte zur Urabstimmung einleitete.
Das Unternehmen Keolis, zweitgrößter Anbieter von Regionalbahnen in NRW, geriet in letzter Zeit zunehmend in Kritik, da es durch häufige ausgefallene Fahrten auffiel, was mit der Personalsituation begründet wurde. Wie viele „Privatbahnen“ ist es zunächst mit Dumpingangeboten auf den Markt gegangen und musste sich nach Tarifauseinandersetzungen mit den Gewerkschaften auf Tarifverträge einigen. Dennoch liegt das Lohnniveau unterhalb des größten Anbieters im Schienenverkehr, der Deutschen Bahn AG. Der so genannte Wettbewerb auf der Schiene ist daher nichts anderes als staatlich geförderte Lohndrückerei.
Derzeit erleben die Eisenbahnverkehrsunternehmen jedoch, dass der Mangel an Fahrpersonal und der demografische Wandel ihnen zunehmend Schwierigkeiten bereitet, einen reibungslosen Betrieb aufrecht zu erhalten. So ist der Verdacht nicht unbegründet, dass Keolis mit dieser Vorgehensweise versucht, das Personal zu spalten und die Probleme auf dessen Rücken auszutragen. Verantwortlich für diese Politik sind der Bund und die Länder, die durch rigorose Ausschreibungsverfahren den vermeintlichen Wettbewerb auf der Schiene durchsetzen wollen. So werden Vergabeverfahren zum Teil so gestaltet, dass kleine Anbieter mindestens einen Teil der Ausschreibungen gewinnen.
Die Folgen sind Unregelmäßigkeiten durch betriebsbezogenes Wirken im öffentlichen Personenverkehr, die vor allem Pendler zu spüren bekommen. Das steht im Widerspruch zu den Verlautbarungen zum Klimapaket der Bundesregierung und macht deutlich, dass eine wirkliche Verkehrswende nur durch ein einheitlich gesteuertes öffentliches Angebot im Schienenverkehr gewährleistet werden kann.