Zum Bericht der Bundesregierung zu ÖPP-Projekten

Privare heißt berauben

34 Seiten heiße Luft. Ohne Aussprache passierte das Papier am 2. Dezember das Bundeskabinett. Beigefügt: Der „Sprechzettel für den Regierungssprecher“, damit auch der weiß, was er zu sagen hat. Es geht um den Bericht der Bundesregierung über die milliardenschweren Projekte der „Öffentlich-Privaten Partnerschaften“ (ÖPP), also die über 300 Aufträge von Bund, Ländern und Kommunen an die Privatwirtschaft. Regierungsamtlich wird er schamlos als „Transparenzbericht“ geführt. Auf der Anweisung für den Regierungssprecher ist die zentrale Aussage vermerkt: Die Wirtschaftlichkeitsvorteile der laufenden Projekte für die öffentliche Hand hätten sich „weitgehend bestätigt“. Eine absurde Aussage angesichts der allseits bekannten Beispiele.

Der Bau der Elbphilharmonie kostete am Ende das 11,24-Fache der ursprünglich geplanten 77 Millionen Euro; für „Stuttgart 21“ waren bei Vertragsschluss 2,8 Milliarden veranschlagt, mittlerweile sind 8,2 Milliarden fällig; der Ausbau der A 49 verteuerte sich in nur einem Jahr um 300 Millionen Euro. Im Bericht ist keine Rede von den immensen Kostensteigerungen, für die stets der Steuerzahler blechen muss. Kein Wort zu der alljährlich gebetsmühlenartig vorgetragenen Kritik des Bundesrechnungshofes an den Milliardengräbern der ÖPP. Für das Kapital eröffnet jeder Auftrag den Zugang zu einem interessanten Warensortiment. Es gilt der Grundsatz: Kaufen – aber ohne Risiko.

Für die Finanzierung der Projekte wird der Bund für das kommende Jahr 19,1 Milliarden Euro zur Verfügung stellen. Die Auftragnehmer machen damit auf Kosten der Allgemeinheit kräftig Kasse – ganz ungeniert und ohne öffentliche Kontrolle, denn sämtliche ÖPP-Verträge unterliegen strengster Geheimhaltung.
Das juristische Know-how für die Vertragstexte kaufen sich Bund, Länder und Kommunen – trotz der Hundertschaften von hauseigenen Juristen – bei externen Beratern ein. 35 Millionen Euro Steuergelder kostet das jährlich. Aus dem Haushalt des Bundesverkehrsministeriums flossen allein im vergangenen Jahr 8,35 Millionen Euro an private Law-Firms. Nachdem Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) mit der Schadenersatzforderung der Maut-Betreiber in Höhe von 560 Millionen Euro konfrontiert wurde, gab er flugs ein externes Gutachten in Auftrag, wie seine Fehlentscheidung zu rechtfertigen sei. 88 Seiten für schlappe 240.000 Euro Anwaltshonorar. Bezahlt aus Steuergeldern.

Der Siegeszug der Privatisierung begann Mitte der 80er Jahre. Nahezu alle Bereiche der sogenannten „Daseinsfürsorge“ wie öffentlicher Verkehr, Post, Krankenhäuser, Wasser- und Elektrizitätswerke, Schule und Universitäten, aber auch klassische Felder staatlicher Existenzsicherung wie das Rentensystem oder der mit öffentlichen Mitteln geförderte soziale Wohnungsbau standen zum Abverkauf. Das Prinzip der Profitmaximierung zog in diese Bereiche ein und ließ die Versorgung der Bevölkerung zum schieren Handelsgut verkommen. 1989 bis 1991 fielen schließlich die vormals sozialistischen Volkswirtschaften der Privatisierung zum Opfer.

„Privare“ bedeutet im Lateinischen „berauben“ oder „jemandem etwas wegnehmen“. Ungleich vornehmer umschrieben es gegen Ende der 90er Jahre die Sozialdemokraten Tony Blair und Gerhard Schröder mit den Worten „Hilfe zur Selbsthilfe“. Die Profiteure der Selbsthilfe halfen nur sich selbst. Die Folgen des Raubzugs sind bekannt: Unbezahlbare Mieten, Renten, die den Namen nicht verdienen, ein kaputtrationalisiertes Gesundheitswesen. Beim ÖPP geht es nun um die Reste öffentlicher Aufgaben, die auf den „freien Markt“ geworfen werden. Transparenz? Eigentlich egal – Es steht ja fest, wer zur Kasse gebeten wird.

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"Privare heißt berauben", UZ vom 11. Dezember 2020



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