Eingebürgert hat sich hierzulande angesichts der Amtseinführung des neuen US-amerikanischen Präsidenten Donald Trump die Sprachregelung, man solle diesen Mann ernst, aber nicht wörtlich nehmen. Das könnte sich deshalb als Verharmlosung herausstellen, weil er nicht als Einzel-Irrer ins Weiße Haus eingezogen ist, sondern als Speerspitze der ihn tragenden Koalition aus den an ihrem Kontostand gemessen erfolgreichsten Ausbeutern seines Landes und der traditionellen „God, guts and guns-Fraktion“ dieses bluttriefend zur Welt gekommenen Staates, also derer, deren Lebensrichtlinien Gott, finstere Entschlossenheit und der Colt an der Hose sind.
Aus dem Wust der Dekrete, die mit einem filmreifen Trommelwirbel die kurze Ära des greisen Joseph Biden zu Grabe tragen sollten, ragen einige hervor, von denen im Lichte der seitdem erfolgten Ernennungen und weiteren politischen Äußerungen aus dem Weißen Haus die Konturen der nächsten vier Jahre US-amerikanischer Politik deutlicher werden.
An der Landesgrenze nach Mexiko patrouilliert nun nicht nur Polizei, sondern auch die US Army, deren neuer Chef Pete Hegseth den Fokus seiner 3,5 Millionen Untergebenen auf „Kampfkraft und Einsatzbereitschaft“ legen will. Mit ihm wurde Ende der letzten Woche Kristi Noem als „Heimatschutzministerin“ vereidigt, die als ihre „obersten Prioritäten“ die Sicherung der Südgrenze und die „Reparatur des kaputten Einwanderungssystems“ nannte. Durchlässig soll die Grenze nur noch von innen nach außen sein – die USA stehen vor der größten Massendeportation ihrer Geschichte, bewundert wahrscheinlich auch hierzulande von jenen, denen ähnliches für Deutschland vorschwebt.
In der Logik des Massendeportationswahns liegen Trumps Sätze vom letzten Wochenende: Weil der Gazastreifen „ein echtes Chaos“ sei, solle man „das Ganze einfach ausräumen“, begleitet von der Forderung, die dort lebenden Menschen nach Ägypten und Jordanien zu deportieren. Außer den zwei Millionen aus dem Gazastreifen sollen nach den Worten der designierten US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Elise Stefanik, weitere drei Millionen Palästinenser ihre Heimat verlassen, denn „Israel habe ein biblisches Recht auf das ganze Westjordanland“, wie sie künftig auch in den UN-Versammlungen verkünden wird.
Mit Blick auf Israel ist klar, dass die Politik der Massendeportation einhergeht mit einer Politik der Expansion – sowohl Gaza als auch das Westjordanland waren auf den Karten, die Israels Staatschef der UN-Vollversammlung vor die Nase hielt, als Teil des Staatsgebietes Israel ausgegeben.
Trump selbst hat folglich zum zweiten Leitmotto außer der Abschottung der Landesgrenzen deren Ausdehnung erklärt: „Die Vereinigten Staaten werden sich wieder als einer wachsenden Nation bewusst – als einer, die ihren Wohlstand mehrt, ihr Territorium erweitert, Städte baut, Erwartungen weckt und ihre Flagge zu neuen, wunderschönen Horizonten trägt.“ Ausführlich konkretisierte er diese Expansionspläne mit Blick auf den Panama-Kanal, den „wir uns nun zurückholen“ würden. Er unterlegte dies mit der Beschwörung des „Frontier Spirit“, also des Geistes, in dem die US-amerikanischen Siedlerkolonialisten die amerikanischen Ureinwohner ausrotteten. In weiteren Reden nahm er öffentlich Kanada und Grönland in den Blick – beides zusammen würden die USA zum flächenmäßig größten Land der Erde machen.
Expansionspläne sind das eine und die ökonomischen Möglichkeiten das andere. Befindet sich beides nicht in Deckung, zerschellen die Pläne früher oder später, wie schon der deutsche Größenwahn von Massendeportation und Expansion am Widerspruch der zu schmalen ökonomischen Basis vor nun 80 Jahren zerschellt ist. Die Tage seit der Amtseinführung Trumps sind voll von Dekreten und vollmundigen Phrasen, aber dürr hinsichtlich konkreter Maßnahmen zur Stärkung der im Weltmaßstab seit Jahrzehnten schrumpfenden ökonomischen Basis der westlichen Führungsmacht. Außer der eher wolkigen Ankündigung eines Förderprogramms für „Künstliche Intelligenz“ in Höhe einer dreistelligen Milliardensumme gab es da nichts. Das und die Ankündigung, künftig wieder auf die Antriebstechnik des Ford-Modells T für die US-amerikanischen Automobile setzen zu wollen, wird wohl nicht reichen, um die Welt nach den irgendwo im Wilden Westen hängengebliebenen Träumen der neuen US-amerikanischen Führung umzugestalten.