Man kann Donald Trump weder Zögerlichkeit noch Inkonsequenz unterstellen. Innerhalb weniger Tage unterzeichnete er über zwölf Dekrete (executive orders), welche seine zentralen Wahlkampfversprechen umsetzen sollen. Unter anderem geht es um die Abschaffung von „Obamacare“, die Mauer zu Mexiko, den Ausstieg aus TPP, den Weiterbau der durch Sioux-Gebiet verlaufenden Keystone-XL- und der Dakota-Access-Rohöl-Pipeline aus dem kanadischen Alberta, den Abbau von Umweltauflagen bei Infrastrukturprojekten und die Erschwerung von Abtreibungen. Dazu kommt ein genereller Einstellungsstopp bei Bundesbehörden und Ministerien. Ausgenommen natürlich das Militär.
Für landesweite Proteste sorgte allerdings das von Trump verhängte 90-tägige Einreiseverbot für Menschen mit einem Pass aus sieben als muslimisch gekennzeichneten Ländern: Irak, Iran, Jemen, Libyen, Somalia, Sudan und Syrien. Es geht nach Darstellung der Regierung darum, „radikal-islamistische Terroristen von den Vereinigten Staaten fernzuhalten“. Das erscheint selbst auf den ersten Blick unsinnig, denn wie sogar das konservative Cato-Institut feststellt, hat bislang niemand aus diesen Staaten mit einem Anschlag Menschen in den USA umgebracht. Dagegen sind die (neben den USA) weltweit größten Terror- und Terroristenproduzenten, Saudi-Arabien, Ägypten, Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), außen vor. Die Liste war übrigens noch von der Regierung Obama erstellt worden. Trump zitiert sie in seinem Erlass nur.
„US-Präsident regiert mit Vorschlaghammer“, ereifert sich die deutsche Illustrierte „Focus“. „Das radikale Einreiseverbot geht an die Grundfesten der USA“, wettert der „Spiegel“. Es ist schon bemerkenswert, wie konsequent die Atlantiker, die früher jede Kritik am brutalen Kriegskurs der US-Politik als Antiamerikanismus brandmarkten, ihren Anti-Trump-Kurs forcieren. Natürlich ist dabei auch immer eine gehörige Portion Eigenreklame dabei. Regierungssprecher Steffen Seibert kann Sätze sagen wie: Die Kanzlerin sei „überzeugt, dass auch der notwendige entschlossene Kampf gegen den Terrorismus es nicht rechtfertigt, Menschen einer bestimmten Herkunft oder eines bestimmten Glaubens unter Generalverdacht zu stellen“.
Damit sich die Flüchtlingskinder küssende Kanzlerin ihre Hände in Unschuld waschen kann, zahlt sie dem türkischen Türsteher vor EU-Europa drei Milliarden Euro, damit er die rund drei Millionen Flüchtlinge in seinem Land nicht nach Europa lässt. Zusätzlich lässt sie die „Balkanroute“ durch Länder wie Ungarn dichtmachen. Die Mauer, die Trump an der Grenze zu Mexiko errichten will, ein Vorhaben, für das schon sein Vorgänger Bill Clinton viel Beifall bekam, gibt es hier längst: Das Mittelmeer. Seit 2014 sind dort mehr als 10 000 Menschen ertrunken. Das dürfte eine der höchsten Opferzahlen sein, die je eine Grenzabsicherung gefordert hat. Aber es ist natürlich immer gut, auf den Splitter im Auge des anderen zeigen zu können, wenn man gerade dabei ist, nicht nur eine Forderung der AfD nach der nächsten zu erfüllen, sondern auch und gerade beklagt, dass die Trump-Regierung möglicherweise die Verständigung mit Russland sucht und vielleicht auch von den brutalen Interventionskriegen, dem westlichen Terrorismus im Nahen Osten abrückt, der das Flüchtlingselend ja erst geschaffen hat. Weswegen Frau von der Leyen und andere nun ersatzweise die Europäer an die Front schicken wollen. Da fragt es sich schon, wer die größeren Zyniker sind.
Der Aktionismus Trumps dürfte andere Ursachen haben. Das Washingtoner Establishment hat sich mit seiner Wahlschlappe keineswegs abgefunden. Seit Ronald Reagan hat das Auswechseln des Frontmannes keinen Bruch mit der neoliberalen wirtschaftspolitischen Grundausrichtung bedeutet. Das ist mit Trump anders. Trumps Präsidentschaft ist daher alles andere als stabil, um nicht zu sagen hochgradig gefährdet.
Trump versucht dagegen, seine Basis, seine Wählerinnen und Wähler, zu mobilisieren. Nicht nur über Twitter, sondern vor allem mit der Botschaft: Ich mache nicht nur Sprüche, ich werde liefern. Da die Parteioberen der Demokraten die linke Alternative Sanders von vornherein blockiert hatten, blieb nur der populistische, fremdenfeindliche Milliardär. Für die meisten keine angenehme Wahl, aber die einzige Alternative. Trump scheint entschlossen, mit diesem schwankenden Votum gegen das vereinte etablierte Machtkartell durchzuhalten. Ob es ihm gelingt, ist eine offene Frage.