Coldplay, Shakira, Herbert Grönemeyer, Pharrell Williams, Ellie Goulding, Andreas Bourani, Elyas M‘Barek, Florian David Fitz und viele andere – sie alle werden am 6. Juli auf die Bühne einer Hamburger Mehrzweckhalle kommen und sich „für Freiheit und Gerechtigkeit für all diejenigen einsetzen, die es am dringendsten brauchen“. Die Show ist gratis. Man muss vorher lediglich „aktiv werden“. Und das geht so: „Mach Dich stark dafür, dass alle Kinder zur Schule gehen können. Sende eine Twitter-Nachricht an Antonio Guterres und Jim Yong Kim, damit sie sich dafür einsetzen, dass wir mit Bildungsmaßnahmen Armut bekämpfen – präsentiert von Hewlett Packard“ (www.globalcitizen.org). Im Aufsichtsrat von Global Citizen, dem Veranstalter des Events, sind viele illustre Namen vertreten. So das Wirtschaftsmagazin Forbes, der Private-Equity-Konzern CVC Capital Parters oder auch die Bill & Melinda Gates Stiftung. Barclaycard Arena heißt die Location, benannt nach dem britischen „Too-big-to-fail“-Finanzgiganten, der zuletzt schon mal als Spekulant auf steigende Nahrungsmittelpreise auf Kosten der Armen in die Schlagzeilen geriet, und dafür sogar in Davos mit einer Art Negativpreis, dem Public-Eye-Award „ausgezeichnet“ wurde.
Die Politmarketing-Experten, die die Gipfeltreffen der Staatslenker PR-mäßig mit Gala-Events fürs naive Volk flankieren, können diesbezüglich inzwischen auf eine längere Tradition zurückblicken: Vor zehn Jahren, anlässlich des damaligen G8-Treffens in Heiligendamm, präsentierte Herbert Grönemeyer schon als Schirmherr von „Deine Stimme gegen Armut“ ein großes Konzert in Rostock. Mit dabei waren Künstler und Celebrities wie Bono und die Sportfreunde Stiller, Die Toten Hosen und Jan Josef Liefers sowie viele ihrer abwaschbaren Freunde aus den damaligen Top-Ligen der stadiontauglichen Gute-Laune- und Beschwichtigungsbranche. 70.000 Besucher waren auf dem Konzert.
Das Remmidemmi war bereits der zweite Aufguss einer schon 2005, anlässlich des Gipfels in Gleneagles; von der Blair-Regierung und der NGO „Make Poverty History“ aufgesetzten PR-Kampagne. Die politischen Führer der G8-Staaten wollten die Rolle der Globalisierungskritischen Bewegung, nach dem Motto „If you can’t beat them, join them“, einfach gleich mal mit übernehmen und forderten selbst von ihrem eigenen Gipfel nicht weniger als den Schuldenerlass für die Dritte Welt. Eine, zugegeben, brillante Idee, für die sich die Spin-Doktoren und ihre Kommunikations-Agenten zu Recht gegenseitig die Schultern geklopft haben dürften.
Inzwischen ist jedoch einiges passiert: Die seit dem Jahr 2007 andauernde, große kapitalistische System-Krise wütet mit verheerenden Auswirkungen über den Globus und hat nach und nach immer riesiger werdende Bevölkerungsteile, vor allem des Südens, in den Abgrund bzw. auf die mörderische Massenflucht, hin in die vermeintlich gemäßigteren Zonen getrieben. Man spricht von weltweit zusätzlich mehr als 30 Millionen Arbeitslosen – aufgrund der Krise. Die Fernsehbilder von dem andauernden Massaker auf dem Mittelmeer hat jeder von uns vor Augen. Gleichzeitig wurde ein imperialistischer Flächenbrand entfacht, der zu dem geführt hat, was die Militärs heute so funky-euphemistisch „Ring of Fire“ nennen: Heiß geführte Kriege von Afghanistan über Jemen, Syrien und den Irak bis nach Afrika auf der einen, und der Ukraine auf der anderen Seite. Aus G8 wurden derweil G7 und G20. Die Kampagnen „Make Poverty History“ und „Deine Stimme gegen Armut“ wurden entsprechend – eingestellt.
Der Zweck des allgemeinen Anliegens, welcher heute dann eben von dem ominösen Global-Citizen-Netzwerk erledigt werden soll, ist aber noch immer derselbe: Die Massenproteste gegen die nun in den Hamburger Messehallen tagenden und in der Elbphilharmonie feiernden Vertreter der global-kapitalistischen „New World Order“ sollen verdeckt bzw. vereinnahmt, dem ganzen Spektakel eine Politik beratende Fairplay-Message aufgebabbt werden. Bloß keine Bilder des Widerstands. Nicht von der Verantwortung für Kriege, Folter, Mord, Deportation und der systematischen Ausplünderung des Trikonts soll gesprochen werden, sondern davon, wie human der Neoliberalismus mit seinen Partnern umzugehen imstande ist, wenn, ja, wenn man ihn nur per Twitter immer wieder daran erinnert.
„Who pays the piper calls the tune“ ist eine alte Binsenweisheit, und deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass die internationale Pop-Bagage ihre zynische Wunderkerzen-Selbstbeweihräucherungs-Benefiz-Show auch diesmal wieder durchzieht. Zu hoffen ist aber, dass ihnen eine breite Wand an Widerstand und echter Gegenkultur auf den Bühnen der Gegendemonstranten gegenüber steht und sich auch lautstark bemerkbar machen kann. Die staatlichen Behörden setzen derzeit jedenfalls alles daran, dies durch Sperrzonen, Demo- und Protestcamp-Verbote zu verhindern. Eine Zensur findet im Übrigen nur in autokratisch regierten Ländern statt.