Sächsische Azubis haben keinen leichten Stand

Ponyhof wäre schöner

Von Roman Stelzig

„Grau, mein Freund, ist alle Theorie, und grün des Lebens gold’ner Baum“, sagte der Dichter. Allerdings dürfte Goethe als „geheimer Legationsrat“ in Weimar mit dem Leben arbeitender Menschen im Kapitalismus nicht vertraut gewesen sein. Sie ernten keine goldenen Früchte, und hier wäre passender: Bunt, mein Freund, ist all eure Statistik, doch grau des Lebens trister Alltag.

An farbigen Diagrammen mangelt es dem „Ausbildungsreport 2017“ der DGB-Jugend Sachsen nicht. Sucht man Auskunft, wie es Auszubildenden in Sachsen geht, findet man darin Anhaltspunkte. „Repräsentativ“ sind in diesem Fall 1 128 von 47 828 Auszubildenden, die das Amt für Statistik Sachsen für 2016 ausweist, die mittels Fragebogen Auskunft gegeben haben.

Grau genug sind die darin beschriebenen Verhältnisse allemal, um sich ein Bild zu machen: „Die Angaben zeigen, dass die tatsächlich gezahlten Vergütungen von den tariflich geregelten Durchschnittswerten erheblich abweichen. Die Befragten verdienen im Durchschnitt der ersten drei Ausbildungsjahre nur 685 Euro pro Monat und damit deutlich weniger als der tariflich geregelte Gesamtdurchschnitt (717 Euro).“ Erhebliche Unterschiede gibt es zwischen Berufsgruppen. Ein angehender Friseur verdient in Ostdeutschland durchschnittlich 269 Euro im Monat.

Arbeiten dürfen Auszubildende dagegen wie Erwachsene: „Der Großteil arbeitet wöchentlich bis zu 40 Stunden (85,6 Prozent). 14,4 Prozent gaben an, wöchentlich mehr als 40 Stunden zu arbeiten. Selbst regelmäßige wöchentliche Arbeitszeiten von mehr als 45 Stunden gehören für 5,4 Prozent zum Alltag.“ „Ein Viertel leistet regelmäßig Überstunden.“ „Erschreckend ist ebenfalls, dass es Auszubildende gibt, die regelmäßig mehr als 10 Überstunden pro Woche leisten (4,9 Prozent).

Frühkapitalistisch mutet die Situation Jugendlicher unter 18 Jahren an: „Trotz weitreichender gesetzlicher Regelungen arbeiten noch immer 13,4 Prozent durchschnittlich mehr als 40 Stunden in der Woche. Gut ein Fünftel der minderjährigen Auszubildenden (21,9 Prozent) machen regelmäßig Überstunden, von denen nur 52,5 Prozent dafür einen Ausgleich bekommen. Die 5-Tage-Woche scheint nicht die Regel zu sein. Immerhin 8 Prozent gaben an, entgegen den gesetzlichen Vorgaben an mehr als 5 Tagen pro Woche im Betrieb zu arbeiten.

Das spiegelt sich wieder: „Für die Auszubildenden entstehen aus unterschiedlichen Gründen psychische wie körperliche Belastungen. (…) Auch das Verrichten eines Nebenjobs aufgrund einer zu geringen Ausbildungsvergütung, an Schulnoten gekoppelte Übernahmeansprüche nach der Ausbildung sowie die ganz allgemein gestiegenen Anforderungen wirken sich negativ auf die Ausbildungszufriedenheit aus.“ „So gibt fast ein Viertel aus Sachsen (23,2 Prozent) an, Probleme zu haben, sich in der Freizeit zu erholen.“ „Mehr als jeder vierte (26,7 Prozent) löst seinen Ausbildungsvertrag vor dem Ende der vorgesehenen Ausbildungsdauer auf. Eine zentrale Rolle spielen dabei Probleme mit Ausbildern.“

Nicht besser bestellt ist es um Übernahmen und Interessenvertretung: 59 Prozent der Befragten „wussten zum Zeitpunkt der Befragung nicht, ob sie im Anschluss an ihre Ausbildung vom Betrieb übernommen werden. Für 8,5 Prozent ist bereits klar, dass es für sie keine Zukunft im Ausbildungsbetrieb gibt.“ „42 Prozent gaben an, dass es in ihrem Betrieb eine Interessenvertretung gibt. Über ein Viertel (25,8 Prozent) muss mit seinen Problemen allein fertig werden. Hinzu kommt fast ein Drittel (31,4 Prozent), kann keine Aussage darüber treffen, ob in seinem Betrieb überhaupt eine Interessenvertretung existiert.“

Über die konkreten Probleme junger Menschen sagen diese nackten Zahlen allerdings nur wenig. Auch die Studie macht deutlich, dass die Bedingungen nach Berufsgruppen und Regionen variieren. Vergessen solle man auch nicht, dass ihre Inhalte auf den subjektiven Aussagen einer geringen Zahl Auszubildender in Sachsen beruhen. Was ein Jugendlicher als zufriedenstellend wahrnimmt, hängt auch davon ab, welche Alternativen ihm bekannt sind. „Lehrjahre sind keine Herrenjahre“ dürften die meisten heute nicht mehr hören. Die Botschaft aber ist geblieben. „Das Leben ist kein Ponyhof“, sagt man heute, um sich abzufinden. Fragt sich nur, ob das so bleiben muss.

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"Ponyhof wäre schöner", UZ vom 29. September 2017



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