Polizist stößt Demonstrant von Brücke

Gegen einen chilenischen Polizisten ist Haftbefehl erlassen worden, nachdem er einen jugendlichen Demonstranten eine Brücke hinuntergestoßen hat. Die Staatsanwaltschaft beschuldigte den 22-jährigen Polizisten am Sonntag in einer Gerichtsanhörung per Videokonferenz, die live im Internet übertragen wurde, des Mordversuchs.

Videos vom Vorfall während einer regierungskritischen Demonstration am Freitag vergangener Woche in der Hauptstadt Santiago hatten in Chile Empörung ausgelöst.

In den Videos ist zu sehen, wie der Polizist in einen 16-Jährigen, der als Teil einer Gruppe davonläuft, seitlich hineinrennt und ihn so stößt, dass er über das Geländer der Brücke Pío Nono stürzt.

Der Jugendliche überlebte den Fall aus sieben Metern Höhe auf das Ufer des Río Mapocho mit einem Schädel-Hirn-Trauma sowie gebrochenen Handgelenken, berichteten örtliche Medien unter Berufung auf das Krankenhaus. Sein Zustand am Sonntag war demnach stabil. Erst am Samstag wurde der beschuldigte Polizist verhaftet. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm neben dem Mordversuch auch unterlassene Hilfeleistung und Falschaussage vor.

Im Oktober und November 2019 waren in Chile tagtäglich Tausende auf die Straße gegangen, um einen besseren Zugang zu Gesundheitsversorgung und Bildung sowie eine Abkehr vom neoliberalen Wirtschaftssystem zu fordern. Die Sicherheitskräfte schritten gewaltsam ein und wurden für mehr als 30 Tote verantwortlich gemacht.

Nach Angaben des Nationalen Instituts für Menschenrechte erlitten im vergangenen Jahr 460 Demonstranten Augenverletzungen, weil Polizisten gezielt in ihre Gesichter gefeuert hatten. Zwei von ihnen erblindeten – Ende August wurden wegen dieser beiden Fälle zwei Polizisten verhaftet. 35 weitere Demonstranten verloren ein Auge.

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"Polizist stößt Demonstrant von Brücke", UZ vom 9. Oktober 2020



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