Im Sommer dieses Jahres wurde ein Polizeiskandal in Göttingen aufgedeckt. Gegen einen mittlerweile pensionierten Polizisten soll ein Verfahren eingeleitet werden, weil er das niedersächsische Innenministerium und seine ehemaligen Vorgesetzten über illegale Überwachung von Hunderten Göttinger Linken informierte. Alle möglichen Gruppen und Personen wurden überwacht, es ging bis zu Mitgliedern der Grünen Jugend und gründlich bis zum Einkaufsverhalten von Betroffenen. Konsequenz ist bisher, dass die Polizei die Daten löschte und die zuständige Staatsanwaltschaft die Ermittlungen einstellte. Begründung war, es gäbe keinen Anfangsverdacht wegen versuchter Strafvereitelung im Amt, schließlich seien die unrechtmäßigen Daten 2016 vernichtet worden. Die Polizei selbst versprach außerdem „lückenlose“ Aufklärung der Vorfälle, aber außer diesem Gerede passierte nichts.
Nun kommt ein weiterer „kleiner Polizeiskandal“ ins öffentliche Licht. Die Polizei hat nach einer friedlichen Demonstration, die gegen eine gewalttätige Razzia gegen Aktivisten aus der Göttinger linken Szene protestierte, einen Ordner bis zur Bewusstlosigkeit verprügelt und im Anschluss daran trotz Protesten und Hinweisen die Prügelorgie verneint. Der Betroffene M. Ramasawmy ist Journalist, antifaschistischer Aktivist und der Sohn der von einer Durchsuchung betroffenen Aktivistin und eines lokalen Politikers der Piratenpartei. An diesem Tag war er Ordner auf der Demonstration, wobei die Polizei versuchte, den Weitermarsch mit einer Blockade zu verhindern. Leichte Rangeleien zwischen dem ersten Block und der Polizei, in dieser Situation stand der Ordner dazwischen und wurde von hemmungslosen Polizisten verprügelt. Er wehrte sich nicht, daraufhin wurde er festgenommen und auf den Boden gedrückt. Er schrie nach Hilfe, er schrie, dass er sich nicht wehre, er schrie, dass er Atemschwierigkeit bekäme. Der Polizist drückte fester und fragte ihn, ob das besser sei und änderte seine Klammergriffe nicht. Nach der Verneinung des Vorfalls durch die Polizeidirektion tauchte dann ein Video auf, das genau diesen Vorgang beweist. Der Betroffene stellte eine Anzeige gegen Polizeibeamte wegen gemeinschaftlicher Körperverletzung im Amt. Die Anzeige bleibt gegen Unbekannte, weil es in Niedersachsen keine Kennzeichnungspflicht gibt. Nun ermittelt die Göttinger Polizei gegen ihre aus Braunschweig angereisten Kollegen.
Perfide an dem Vorfall ist, der Betroffene gehört einer stadtbekannten Familie an, die im vergangenen Jahr von Nazis vor ihrer Wohnung bedroht wurde und bei der die Polizei trotz sofortigem Notruf erst nach zwei Stunden auftauchte und im Anschluss daran sich weigerte, eine Anzeige aufzunehmen. Während der Razzia, die in Göttingen lief, wurde auch die Mutter von M. Ramasawmy „besucht“. Arbeits- und Kreistagsmaterialien des Vaters, ehrenamtlicher Lokalpolitiker (gegen ihn lag kein Durchsuchungsbefehl vor) wurden illegalerweise beschlagnahmt. Die Forderungen nach Kennzeichnungspflicht sind richtig, aber reichen nicht aus. Einstellung der Ermittlungen gegen die Razzia-Betroffenen und natürlich gegen den Ordner, eine unabhängige Untersuchungskommission, um die Polizeigewalt und die Überwachungsskandale aufzuklären sind notwendig. Dazu müssten die politischen Verantwortlichen in Hannover die Verantwortung für beide Skandale tragen und zurücktreten, aber die SPD wählt lieber den niedersächsischen Innenminister in ihren Parteivorstand.