Diese Woche wird in der Kabinettssitzung des Landtags über die Änderungen im Polizeigesetz für Schleswig Holstein entschieden. Wir stimmen nicht in die Jubelrufe um mehr Kompetenzen und einen sicheren Rechtsstaat mit ein, sondern versuchen noch einmal, unsere fundamentale Kritik an dem Tenor des Gesetzes deutlich zu machen. Es geht uns nicht um die Verbesserung einzelner Paragraphen, wir finden das Gesetz insgesamt falsch.
Wir haben schon an anderer Stelle ausführlich einzelne Aspekte des Gesetzesentwurfes kritisiert. Seien es die ärztlichen Untersuchungen ohne Einwilligung, die Einführung von Tasern, neue Rechtsgrundlagen für Personenkontrollen oder der unerklärbare Wunsch auf Kinder schießen zu dürfen. Durch viele dieser Maßnahmen wird nicht, wie von der Jamaika-Koalition beteuert, das Vertrauen in die Polizei gestärkt oder die gesellschaftliche Akzeptanz ihres Handelns gesteigert. Es wird vielmehr eine weitere Entfremdung zwischen einem immer mehr aufgerüsteten und mit überbordenden Sondergesetzen ausgestattetem Sicherheitsapparat und dem Rest der Bevölkerung mit einem in Kauf genommenen Verlust an bürgerlichen Freiheitsrechten geschaffen.
Wir als Bündnis gegen das Polizeigesetz sehen vor allem dieses Aufrüsten und Erweitern von Maßnahmen äußerst kritisch. Mit jeder Verschärfung von Sicherheitsmaßnahmen wird versucht zu suggerieren, damit ein erhöhtes Maß an Sicherheit gewährleisten zu können. Hiermit wird einem Trugbild nachgeeifert, das in keinem Staat existieren kann, und was in der Geschichte immer nur zur Bildung autoritären Staatsformen geführt hat. Mit dem Gesetz wird einer Behörde, die gerade vermehrt in der Kritik wegen ihren Verbindungen ins Rechte Milieu steht, noch mehr Macht gegeben.
Durch Maßnahmen wie Fußfesseln und Meldeauflagen – einfach nur mit der Annahme der Gefahr einer möglichen (terroristischen) Straftat – werden polizeilicher Willkür Tür und Tor geöffnet. In harten verlustreichen Kämpfen ausgefochtene bürgerliche Rechte werden damit in nicht ganz so ferne reaktionäre Zeiten zurück geworfen. Der Rechtsstaat wird weiter ausgehöhlt, das Grundgesetz ad absurdum geführt.
Zur Begründung werden Szenarien herangezogen, die mit der Realität in Schleswig-Holstein sehr wenig zu tun haben. Durch das gebetsmühlenartige Betonen islamistischer Gefahren wird vor allem der antimuslimische Rassismus in den Köpfen geschürt und ein Phantom einer abstrakten Terrorgefahr herbei geredet. Offensichtlich wird der Sündenbock nach wie vor gerne bei gesellschaftlichen Minderheiten gesucht und gefunden und dient damit der Verschleierung der realen Gefahr die von der extremen Rechten ausgeht.
Dazu kommt noch, dass die aufgeführten Szenarien einer realen Grundlage entbehren, wie wissenschaftliche Publikationen seit Jahren aufzeigen. Es gibt einen gravierenden Unterschied zwischen der tatsächlich stattfindenden Kriminalität und der gefühlten – die tatsächliche Kriminalität sinkt laut öffentlichen Statistiken seit Jahren.
Auch die Aussage, das Gesetz sei diskriminierungsfrei, sehen wir anders. Natürlich steht in der Passage über Kontrollen nicht drin, dass Menschen nicht weißer Hautfarbe kontrolliert werden sollen. Schaut man sich jedoch die Praxis der Polizei an fällt sofort auf, dass vermehrt People of Color kontrolliert und durchsucht werden. Das liegt nicht an den Gesetzesgrundlagen, sondern an den rassistischen Stereotypen in den Köpfen der Polizist*innen. Dagegen hilft kein Gesetz, sondern nur radikales Umdenken in der Gesellschaft. Diese Fähigkeit hat anscheinend nicht zu-, sondern abgenommen, wenn sich fortschrittlich gebende Parteien ein derart verschärftes Polizeigesetz wünschen und verabschieden.
Auch die nun bejubelten „Wohnungsverweisungen“ sind für uns kein Grund zum Feiern. Sie ändern nichts an der restlichen Tendenz des Entwurfes und auch hier steht zu befürchten, dass viele vorhandene Vorurteile es Betroffenen erschweren werden, die Hilfe zu bekommen, die sie im Falle häuslicher Gewalt benötigen.
Wie erwarten zwar, dass das Gesetz diese Woche verabschiedet wird, wollen dies aber trotzdem nicht einfach geschehen lassen und rufen deswegen unter dem Motto „Stoppt das Polizeigesetz! Gegen Repression und Überwachung!“ zum Corona-gerechtem Protest vor dem Landeshaus auf.
Kein neues Polizeigesetz für Schleswig Holstein!
Kundgebung: Mittwoch, 24. Februar ab 9 Uhr, Landeshaus, Düsternbrooker Weg 70 in Kiel