Es ist der neunte Fall in den fünf Jahren, bei dem ein Mensch nach einem Tasereinsatz ums Leben kam: Ein 26-jähriger Geflüchteter aus Guinea ist infolge eines Polizeieinsatzes in einer Erstaufnahmeeinrichtung in der Nacht auf Sonntag in Mülheim an der Ruhr gestorben. Das weckt – nicht nur – Erinnerungen an den Polizeimord an Oury Jalloh am 7. Januar 2005.
Die Polizei Essen behauptete, das Sicherheitspersonal der Einrichtung habe gegen 20.30 Uhr die Polizei verständigt, da der Geflüchtete „randalierte“ und „Mitarbeiter angriff“. Bei seiner Festnahme soll der 26-jährige „massiven Widerstand“ geleistet haben, woraufhin die Polizisten zwei Mal einen Taser einsetzten.
Zunächst hieß es, der Mann habe sofort das Bewusstsein verloren. Später behauptete die Polizei dann, der Tasereinsatz sei ohne Wirkung geblieben. Selbst nach der Obduktion ist die genaue Todesursache noch unklar.
Die Polizeimeldung wirft weitere Fragen auf: Warum verstarb der Mann auf dem Weg ins Krankenhaus unter Reanimationsmaßnahmen, wenn doch die Tasereinsätze keine Wirkung zeigten? Weitere Unstimmigkeiten gibt es bezüglich der Tatzeit. Erst hieß es, der Vorfall habe sich Freitagabend abgespielt, dann war von Samstagabend die Rede.
Die Polizei Essen behauptete, dass die an dem Einsatz beteiligten Polizisten psychologisch betreut werden müssten. Ob die Angehörigen des Opfers informiert wurden, wie es ihnen geht, und was mit anderen Bewohnern der Einrichtung ist, die möglicherweise Augenzeugen wurden, teilte die Polizei nicht mit.
Die Ermittlungen wurden, wie in solchen Fällen üblich, von der Polizei einer Nachbarstadt übernommen – in diesem Fall von der Polizei Bochum. Die Aufklärungsquote ist erschreckend niedrig. Fast nie werden an tödlichen Einsätzen beteiligte Polizisten strafrechtlich belangt.
Die meisten Todesopfer von Polizeibrutalität befinden sich während ihrer Tötung in psychischen Ausnahmesituationen. Die letzten drei tödlichen Vorfälle mit den verharmlosend „Distanz-Elektroimpulsgerät“ bezeichneten Tasern ereigneten sich in Nordrhein-Westfalen.