Aktion gegen die Bundeswehr bei der „Jungen Messe“

Polizei beschlagnahmte Protest-Sarg

Von Birgit Gärtner

Überall, wo eine „Messe für Ausbildung, Studium und Beruf“ ausgerichtet wird, ist die Bundeswehr nicht weit, um Nachwuchs für ihr makabres Spiel mit dem Tod zu rekrutieren. So war es auch am vergangenen Wochenende bei der „Jungen Messe“ im schleswig-holsteinischen Norderstedt.

„Eine qualifizierte Ausbildung ist für die Unternehmen und Betriebe immer wichtiger geworden. Die Junge Messe bietet ihnen einen frühzeitigen Kontakt zu künftigen Praktikanten und Auszubildenden“, bewarb die Stadt Norderstedt „Norddeutschlands erfolgreichste Berufsmesse“, die in diesem Jahr bereits zum 19. Mal stattfand, auf der Webseite. Zu den Sponsoren gehörten u. a. die Volksbank und die Stadtwerke Norderstedt sowie die AOK Nordwest. „Die Besucher erwarten rund 60 Aussteller sowie ein vielseitiges und informatives Rahmenprogramm mit Workshops und Vorträgen“, hieß es auf der Webseite des Veranstaltungsorts TriBüne Norderstedt.

Zu den 60 Ausstellenden gehörte auch die Bundeswehr. Wie bei zahlreichen Anlässen dieser Art auch, gab es im Rahmen der Aktion „Kein Werben fürs Sterben“ Proteste seitens der Friedensbewegung. In dem Fall in Form eines Sarges, der mit einer Deutschlandfahne bedeckt war. Ein Pappschild mit der Aufschrift „Probeliegen für zukünftige Bundeswehr-SoldatInnen“ sollte die Jugendlichen auf ein mögliches trauriges Ende ihrer Berufskarriere bei der Bundeswehr aufmerksam machen.

Wenn die Bundeswehr vielerorts Reklame für sich macht, finden wir das inzwischen normal“, erläuterte René Senenko vom „Bündnis für ein Hamburger Deserteur-Denkmal“ gegenüber der UZ. So auch in Norderstedt, wo sie bei der „Jungen Messe“ am Rathaus vielen Schülerinnen und Schülern ihre falschen Versprechungen von einer glanzvollen Berufsperspektive unterjubeln wollte. Und die Schulklassen kamen in Scharen. „Mindestens 14 oder 15 Klassen haben wir gezählt“, so Senenko.

Die Kids mussten an dem Sarg vorbei, wenn sie zur Messe wollten. Die Reaktionen waren sehr unterschiedlich: „Manche fanden das lustig, legten sich in den Sarg, ließen sich fotografieren. Einige wurden etwas nachdenklich und stellten Fragen“, beschrieb Detlef Mielke von der Deutschen Friedensgesellschaft/Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG/VK).

Die Messeleitung fand das weniger witzig und alarmierte die Norderstedter Ordnungshüter.

„Sieben Beamte und Angestellte haben wir gezählt, die sich am Tatort einfanden und laut überlegten, welcher Paragraph denn nun anzuwenden wäre, um die Aktion mit dem Sarg möglichst rasch zu beenden“, schildert Senenko. „War es überhaupt erlaubt, einen Sarg auf einem Handwagen durch die Stadt zu fahren? Ein Polizeibeamter fand die Lösung: Wir hätten einen Antrag auf Sondernutzung des Gehwegs stellen müssen.“

Allerdings wäre der nicht genehmigt worden, ließ der Beamte Mielke und seine Mitstreiter wissen. Nach längerem Hin und Her endete die Aktion damit, dass der Sarg wegen Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung beschlagnahmt wurde.

„Der Sarg wurde als geschmacklos empfunden“, sagt Senenko. „Wir finden es allerdings wesentlich geschmackloser, die Perspektivlosigkeit vieler Jugendlicher auszunutzen, ihnen eine glänzende Zukunft zu versprechen – für die sie dann ihr Leben aufs Spiel setzen, und wenn es hart auf hart kommt, auch opfern müssen.“

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"Polizei beschlagnahmte Protest-Sarg", UZ vom 25. September 2015



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