Internationale Ermittlergruppe zum Abschuss des Fluges MH17 ignoriert Beweise

Politische Experten

Von Renate Koppe

Bereits nach dem Abschuss eines malaysischen Passagierflugzeugs über dem Donbass, bei dem 298 Menschen starben, war für westliche Regierungen und die westliche Presse klar, dass die russische Regierung und „prorussische Rebellen“ für den Abschuss verantwortlich sind. Eine internationale Ermittlergruppe, der keine russischen, wohl aber neben niederländischen, belgischen, australischen und malaysischen auch ukrainische Vertreter angehörten und die von der niederländischen Staatsanwaltschaft geleitet wird, hat am 19. Juni vier Menschen des Mordes bezichtigt.

Es handelt sich um drei russische und einen ukrainischen Staatsbürger, die damals Funktionen in der Volksmiliz der Donezker Volksrepublik (DVR) und deren militärischer Aufklärung hatten, einer von ihnen, Igor Girkin, war im Jahr 2014 Verteidigungsminister der DVR.

Das zum Abschuss genutzte Raketensystem soll, wie schon zuvor behauptet, von Russland aus über die Grenze gebracht worden sein. Die verdächtigten Personen sollen für die Kontakte mit den russischen Behörden und Absprachen über die Lieferung des Systems aus Russland in den Donbass verantwortlich gewesen sein, beziehungsweise diese begleitet haben. Der Abschuss selbst wird ihnen nicht vorgeworfen. Der Prozess soll am März 2020 in den Niederlanden stattfinden, mit großer Sicherheit in Abwesenheit der Angeklagten.

Während, wie zu erwarten, das Ergebnis in der Ukraine positiv aufgenommen wurde und die Generalstaatsanwaltschaft Anklage gegen den beschuldigten ukrainischen Staatsbürger (der sich jedoch nicht in der Ukraine aufhält) erhoben hat, erklärte das Außenministerium der Russischen Föderation offiziell, dass gegenüber der russischen Seite völlig unbewiesene Beschuldigungen vorgebracht werden, die allein auf die Diskreditierung der RFzielten. Es sei nach wie vor kein einziger konkreter Beweis vorgebracht worden.

Das russische Außenministerium wies auch Vorwürfe zurück, die russische Seite arbeite nicht umfassend mit. Tatsächlich hat das russische Verteidigungsministerium aufgrund der von den Ermittlern genannten Seriennummern des Motors und der Düse der Rakete die Seriennummer der verwendeten Rakete im September 2018 identifiziert und konnte nach Aufhebung der Geheimhaltung in diesem Bereich Hinweise geben, dass sich die entsprechende Waffe seit dem Zerfall der Sowjetunion im Bestand der ukrainischen Streitkräfte befand. Diese Informationen liegen seitdem in allen Einzelheiten vor.

Außerdem hatte das russische Verteidigungsministerium zu diesem Zeitpunkt auch ihm zur Verfügung stehende Audioaufzeichnungen vorgelegt, die auch auf eine ukrainische Beteiligung hinweisen. All diese Informationen wurden mehr oder weniger von der Ermittlung ignoriert oder als nicht hilfreich bezeichnet. Offen bleibt auch die Frage, warum die ukrainischen Verantwortlichen zum Zeitpunkt des Absturzes nicht aufgrund der Kriegssituation schon lange den Luftraum über dem entsprechenden Gebiet gesperrt haben. Die Volksmiliz der Donezker Volksrepublik hat am 19. Juni ein weiteres Mal erklärt, nie über entsprechende Systeme verfügt zu haben und auch über kein Personal zu verfügen, das damit umgehen könne.

Darauf, dass die vorgelegten Ergebnisse der Ermittlergruppe rein politisch motiviert sind, weist auch die ohne weitere Begründung gegebene Aussage hin, die Ermittler hätten den Absturzort, der sich auf dem Gebiet der Donezker Volksrepublik befindet, nie untersuchen können. Sowohl niederländische als auch australische und malaysische Experten hatten sich mehrfach dort aufgehalten.

Auch die malaysische Regierung ist mit den Ergebnissen nicht zufrieden. Nach der Darstellung der malaysischen Internetzeitung „Star“ erklärte der malaysische Premierminister Mahathir bin Mohamad: „Wir sind sehr unzufrieden. Von Anfang an war es eine politische Ermittlung mit dem Ziel, eine Möglichkeit zu finden, Russland gesetzeswidriger Aktivitäten zu beschuldigen.“ Er fügte hinzu, dass schon vor der Ermittlung erklärt worden sei, dass Russland die Verantwortung trage. Bisher gebe es keine Beweise, sondern nur Gerüchte. Laut der russischen Nachrichtenagentur „Tass“ rief das malaysische Außenministerium alle Seiten zur Zusammenarbeit auf, um die wirklichen Ursachen das Geschehens festzustellen, ohne politische motivierte Schlüsse zu ziehen.

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"Politische Experten", UZ vom 28. Juni 2019



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