Atomwaffengegner in Cochem verurteilt, aber ­ungebrochen

Politisch gewonnen

Kolumne

Ziviler Ungehorsam ist seit jeher ein wirksames Mittel, um auf politische Missstände aufmerksam zu machen und manchmal auch, um den politischen Gegner lahmzulegen. Das sehen der deutsche Staat und seine Verfolgungsbehörden gar nicht gern und versuchen, uns mit Geld- oder manchmal sogar Haftstrafen davon abzuschrecken.

Zu denen, die sich davon weder abschrecken noch beeindrucken lassen, gehören die Friedensaktivistin Miriam Krämer (58) aus Ahlen und der Friedensaktivist Gerd Büntzly (74) aus Herford. Ihren zivilen Ungehorsam, in diesem Fall das unerlaubte Betreten des Bundeswehr-Flugplatzes Büchel (Eifel), sehen die zwei aufgrund der von hier ausgehenden Gefahr eines Atomwaffeneinsatzes nicht nur als gerechtfertigt, sondern als notwendig an. Am 8. Mai, dem Tag der Befreiung vom deutschen Faschismus, beteiligten sie sich an einem Go-In von insgesamt sieben Personen auf dem Fliegerhorst Büchel. Dort wird derzeit die „Modernisierung“ der Atombomben vorbereitet. Diese sollen durch neue B61-12 ersetzt werden, die in ihrer Sprengkraft variabel und zielgenauer sein sollen. Sie sollen „besser einsetzbar“ gemacht werden, daraus machen die Militärs gar keinen Hehl. Die angeblich in die Jahre gekommenen „Tornado“-Flugzeuge werden dafür gegen US-amerikanische Tarnkappenbomber F-35 als Atomwaffenträger ausgetauscht.

An jedem einzelnen Tag, aber natürlich verschärft in Zeiten atomarer Drohungen, in denen der Ersteinsatz dieser Massenvernichtungswaffen zumindest eine reale Option ist, sehen die Friedensbewegten Krämer und Büntzly eine akute Gefährdung der Menschen sowie der Umwelt weit über Deutschland hinaus. Die kürzlich losgetretene Debatte über EU-eigene oder gar deutsche Atomwaffen wird ihre Besorgnis sicher bestärken und gibt ihnen Recht.

Trotzdem und nicht anders zu erwarten wurden sie am 4. März zu Geldstrafen in Höhe von 1.500 Euro und 2.700 Euro verurteilt. Beide nutzten die Gerichtsverhandlung als politische Bühne und gaben inhaltliche Statements ab, ohne sich ansonsten groß zur Sache einzulassen. Ab 9.30 Uhr fand vor dem Amtsgericht Cochem eine Mahnwache statt, ein klares Zeichen politischen Protestes. Das hat sicher für Aufmerksamkeit gesorgt und war dem Richter und der Staatsanwaltschaft zumindest ein kleiner Dorn im Auge. Gut so, denn nichts liebt die Klassenjustiz im Großen wie im Kleinen mehr, als ungestört angebliche Störenfriede und Systemfeinde zu verknacken. Warum ihnen also den Gefallen tun?

Der Prozess gegen Miriam Krämer war zudem ein rundes Jubiläum. Es war die hundertste Verhandlung am Amtsgericht Cochem in Sachen Zivilen Ungehorsams gegen die Atomkriegsübungen in Büchel und diese sogenannte Nukleare Teilhabe der BRD an dem US-Atomkriegssystem. Sie verwies in ihrem Statement unter anderem auf ihre widerständige Herkunftsfamilie und ihre biografische Entwicklung in der DDR. Sie erwähnte, dass sie im Internet eine Aussage über den Zweck der hier stationierten Luftwaffeneinheit gefunden habe. Der Hauptauftrag des Taktischen Luftwaffengeschwaders 33 sei der Luftangriff. Sie fragte vor Gericht, inwieweit eine solche Aussage mit dem Friedensgebot des Grundgesetzes vereinbar sei und beantragte, Oberstleutnant Samuel Mbassa, den Kommandeur der Einheit, als Zeugen zu laden. Der Beweisantrag wurde mit der Begründung abgelehnt, er sei „ohne Bedeutung“ für das Verfahren. Alles andere hätte den Herrn Richter wohl auch in Erklärungsnot gebracht.

Gerd Büntzly erklärte, die Sachlage sei dem Gericht und auch den höheren Instanzen seit einer Reihe von Jahren bekannt. Sie hätten aber immer gleiche Verurteilungen ausgesprochen und niemals Beweisanträge zu den Atomwaffen in Büchel zugelassen. Aus diesem Grund sehe er sich nicht mehr in der Lage, sich zu verteidigen und werde schweigen. Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig, aber politisch haben die Friedensbewegten längst gewonnen. Hut ab vor so viel Gradlinigkeit!

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"Politisch gewonnen", UZ vom 15. März 2024



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