Mit der „Unschärfe und Widersprüchlichkeit“ eines Gesetzes will man die DKP faktisch verbieten

Politisch gewollt

Am 8. Juli um 9.20 Uhr rief der Vorsitzende des Bundestagswahlausschusses, Georg Thiel, den Tagesordnungspunkt 2 auf: „Zulassung der DKP zur Bundestagswahl“. Wenig später nennt er seinen Beschlussvorschlag: „Die DKP hat ihre Rechtsstellung als Partei verloren.“ Sechs Jahre in Folge seien die Rechenschaftsberichte zur Parteifinanzierung nicht fristgerecht eingereicht worden. Stefan Langer, Richter am Bundesverwaltungsgericht, meldete sofort Zweifel an: Die Berichte seien, wenn auch verspätet, schließlich doch abgegeben worden. Ein „verspäteter Bericht“ stehe nicht ohne weiteres einem „fehlenden Bericht“ nach Artikel 2, Absatz 2 Satz 2 des Parteiengesetzes (PartG) gleich. Der Beisitzer Hartmut Geil (Bündnis 90/Die Grünen) sah dies genauso und erläutert es an einem Beispiel: „Wenn ich meine Steuererklärung verspätet einreiche, dann krieg ich vielleicht Säumniszuschläge, wenn ich sie gar nicht einreiche, ist es Steuerhinterziehung.“ Die Vertreter der Bundesregierung und der Bundeswahlleiter gerieten ins Schwimmen. Es sei eben eine „stramme Regelung“, die keinen Spielraum lasse, Rechtsprechung dazu gäbe es allerdings auch noch nicht. „Fristen sind Fristen“ entgegnete Thiel, nicht ohne hilfesuchenden Blick zu Richter Langer, der indes unbeeindruckt blieb.

Der Bundeswahlleiter zog sein Programm durch. Der gegen die DKP gerichtete Beschluss wurde angenommen – auch mit der Stimme der Vertreterin der Partei „Die Linke“. Einzig der Abgeordnete Geil stimmt mit „Nein“. Dass der Beschluss falsch ist, liegt auf der Hand. Schließlich hatte der Bundeswahlleiter in Absprache mit den Vertretern der Bundesregierung den Parteien eine Nachfrist zur Abgabe fehlender Rechenschaftsberichte bis 31. Dezember 2020 gesetzt, die DKP hatte ihren Bericht für 2017 10 Tage vor Fristende abgegeben. Da zur Versagung der Parteieigenschaft Rechenschaftsberichte sechs Jahre in Folge fehlen müssen, kann es schon deshalb nicht zur Verwirkung des Parteistatus kommen. Ferner war den Mitgliedern des Bundeswahlausschusses die seit dem 9. Juni 2021 kursierende Drucksache 19/30520, die die Unterschrift des Bundestagspräsidenten Dr. Wolfgang Schäuble trägt, bekannt. Dort wird im Fettdruck, bezogen auf die zum 1. Januar 2016 eingeführte Versagung der Parteieigenschaft bei fehlenden Rechenschaftsberichten „angeregt, die Neuregelung wieder zu streichen“. Den Grund für die Streichung sehe man in der „Unschärfe und Widersprüchlichkeit“ des Gesetzestextes.

Bliebe es bei dem Beschluss, hätte dies für die Partei dramatische Folgen: Durch die Herabstufung auf einen „Verein“ ginge der auf politische Parteien gerichtete Schutz der Verfassung (Artikel 21 Grundgesetz) verloren. Neben dem Verlust steuerbegünstigter Finanzierung könnte dann jeder Innenminister mit einem Federstrich ein Vereinsverbot verhängen. Es drängt sich auf, dass genau dies aber der Gesetzgeber im Auge hatte, als er die Neuregelung zur Rechenschaftspflicht auf Parteien einführte, die sich – wie die DKP – ausschließlich durch Kleinspenden und Mitgliedsbeiträge finanzieren. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) sieht den Zweck der Rechenschaftspflicht woanders: Die Transparenz der Parteienfinanzierung richte sich auf solche Zuwendungen (Großspenden, Spenden von Industrie- und Lobbyverbänden), „vermittels derer ihrem Umfang nach politischer Einfluss ausgeübt werden kann“ (BVerfG, Beschluss vom 17. Juni 2004-2 BvR 383/03). Über diese Art der Finanzierung muss sich die DKP sicherlich keine Sorgen machen.

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"Politisch gewollt", UZ vom 16. Juli 2021



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