K.I.Z sprengen die Idylle nicht nur des bürgerlichen Feuilletons

Polenböller

Schon ihr neues Album war ein Nackenklatscher für alle linksliberalen HipHop-Fans. Ihr Albumrelease auf dem „Rave against the Zaun“ gab ihnen den Rest: An der ziemlich kleinen Bühne wehten die Fahnen Kubas und Palästinas. Und als ob das noch nicht genug gewesen wäre, auch noch ein rotes Banner mit Hammer und Sichel sowie die Fahne der DKP Berlin. Weil K.I.Z es nicht taten, fand es die politisch korrekte Instagram-Gemeinde umso wichtiger, das heilige Distanzierungsritual zu vollbringen. Da Platten, CDs und erst recht Spotify so schlecht brennen, wurde aber noch nicht zur Verbrennung von K.I.Z-Alben aufgerufen.

Wie sehr die Berliner Rapper Maxim, Nico und Tarek bürgerliche Musik-journalisten verwirrt haben, macht Andreas Borcholte auf „spiegel.de“ deutlich. Er fühlt sich „sofort ertappt“ und „ein wenig schuldig“, wenn er mitsummt. Bisher konnten Borcholte und Kollegen K.I.Z feiern. Irgendwie links und sowieso gegen rechts, dann ziemlich derb, so mit Gewalt und Schwänzen, aber alles nicht wirklich ernst und immer unverbindlich. Beim Album „Görlitzer Park“ funktioniert das Abarbeiten an Oberflächlichkeiten und Provokationen nicht mehr. Die mit westlichen Werten können sich nicht mehr mit wohligem Schauer an Unterschichten-Lifestyle aufgeilen – und sich selbst versichern, dass man ja ganz anders ist als die da unten. Philipp Laier vom „Bayrischen Rundfunk“ bringt es auf den Punkt: Das Album sei „alles andere als ein Wohlfühlalbum – eher ein Schlag in die Magengrube. In Abwandlung des bekannten Augstein-Zitats könnte man sagen: K.I.Z rappen, was ist, und liefern so nicht nur ein Rap-Album, sondern einen vor allem deutlichen Beitrag zu gesellschaftlichen Debatten.“

Ohne es zu merken bringt Laier das ganze Dilemma der bürgerlichen Journaille auf den Punkt: Sein Horizont reicht nicht über Rudolf Augstein hinaus. Er weiß nichts von Rosa Luxemburg und der revolutionären Tat zu sagen, was ist. Von daher bleiben die gesellschaftlichen Debatten auch eine unzusammenhängende Aufzählung der Misere.

Die Geschichten des Berliner Rap-Trios beschreiben das eigene Aufwachsen in Kreuzberg Anfang des Jahrtausends. Der Song „Frieden“ stellt neben „Sensibel“ die Klammer her, mit der Maxim, Nico und Tarek den Niedergang der bürgerlichen Gesellschaft im letzten Vierteljahrhundert in einen Zusammenhang stellen:

„Unterricht fällt aus in der ganzen Schule / 9/11, Schweigeminute / Und ich rechne aus, wie viel Minuten wären / Das für eine Million Ruandesen / Und ’ne Million tote Irakis nur durch das Embargo / Vielleicht begann’n da meine Mixed Feelings für die NATO.“

2001 trafen wir uns mit der SDAJ im Jugendhaus im Kreuzberger Böcklerpark zwischen Kotti und Prinzenbad. Als am 11. September die Twin Towers in New York einstürzten, jubelten die Kids mit arabischen und persischen Wurzeln gemeinsam – endlich mal hatte es jemand den Unterdrückern gezeigt. Wenige Tage später standen wir SDAJler auf dem Alexanderplatz, um gegen den Überfall der USA auf Afghanistan und die „uneingeschränkte Solidarität“ der Bundesregierung zu protestieren.

„Sommer meines Lebens“ und „2001“ greifen das Lebensgefühl der Jugendlichen auf, die jubelten, aber im Demonstrieren keinen Sinn sahen. Sie wuchsen auf als Ausgegrenzte in Kreuzberg 36, das damals wegen seines morbiden Charmes immer hipper wurde. Hier gab es billige Altbauwohnungen zu kaufen. Die Kids, von denen K.I.Z erzählen, scheitern und suchen den Ausweg in Gewalt und Drogen. „Jahrmarkt“, ein wundervoller Popsong über den ersten Kuss – er endet mit Typen in Springerstiefeln und Bomberjacke und einem gebrochenen Kiefer. „Samstag ist Krieg“, mit treibendem Elektrorhythmus, handelt von perspektivlosen Jungs aus „’ner netten Gegend“, die sich an Gewalt gegenseitig aufgeilen, und von Türstehern, die ihren Kopf hinhalten müssen. „Berlin wird dich töten“, das Borcholte zum schamgeröteten Mitsummen animiert, besingt die Aus- und Aufstiegsversuche von Frauen, deren Perspektive in einer von der allgemeinen Krise bestimmten Gesellschaft nur der Selbstausverkauf ist.

Im Titelsong „Görlitzer Park“ und mit „Vierspur“ verbinden K.I.Z ihre eigenen Erfahrungen im Kiez, mit Gewalt, Drogen und der harten Arbeit, ein erfolgreicher Rapper zu werden. Ihr erstes Album, „Hahnenkampf“, veröffentlichten die Berliner 2005. Im selben Jahr wurde Hartz IV eingeführt. Für viele war das der Abstieg: „Auf jeden, die Mieten hab’n alle verjagt.“

Maxim, Nico und Tarek haben es „geschafft“: „Die Eigentumswohnung ist bald abbezahlt / Und ähnelt sehr stark / Diesen Apartments, auf die ich als Teenie mal Farbbeutel warf / Für was du ein’n Döner mit Ayran bekamst / Bekommst heute ein’n Kaffee im Glas / Bin ein 36er Ureinwohner / Doch seh’ aus wie ein Touri im Görlitzer Park.“

Mit geschicktem Marketing und professioneller Produktion durch das DJ-Team von Drunken Masters haben K.I.Z ihr Album inszeniert. Sie müssen mitspielen im bürgerlichen Business und werden dafür auch reichlich belohnt. Sie genießen dadurch Narrenfreiheit.

Dass diese nach einem Vierteljahrhundert imperialistischer Überfälle im Deutschland der Kriegstüchtigkeit nur noch für alte Lines wie „Meine Definition von Glück: Keine Termine und leicht ein’n stehn“ gilt, belehrt uns Benedikt Kendler. In der „Berliner Zeitung“ wirft er politische Einseitigkeit vor, die „gerade für eine Band wie K.I.Z fatal ist. Hier bräuchte es das Fragezeichen, das ‚Ist das wirklich so?‘. “ Tarek hat ihm mit „Sensibel“ einen Nackenklatscher verpasst, der ihn ideologisch gelähmt hat: „Manche Rassisten demonstrier’n gegen Rechts und wähl’n die Grünen / Du bist Deutscher zweiter Klasse, Bruder, guck in’ Spiegel / Du weißt nicht, wo dein Platz ist, dir muss klar sein, was passier’n wird / Das ist dein Karriereende, überleg dir diesen Post / Für dein ‚Free Palestine‘ ruft der Chef dich ins Büro / Halt die Füße still, du bist hier wegen der Quote / Das ist noch kein Völkermord, das war’n noch nicht genügend Tote.“

Kendler und Kollegen sind geschockt von der Positionierung von K.I.Z gegen ein System, von dem sie profitieren und von dem sie als wokes „Herrenvolk“ überzeugt sind, dass es die Welt besser machen wird. Sie sind für Frieden, wenn die, für die sie schreiben, gewonnen haben. Sie retten Europa und die Friedenspussys sollen sich verpissen. „Los, nehmt meine Steuern, denn wir brauchen neue Kampfjets / Wir knüpfen dich auf, wenn du feige Sau verhandelst / Fick mal nicht mein’n Kopf und versuch, Feinde zu verstehen / (…) Echte Männer haben keine Angst vor ‚nem Atomschlag / (…) / Frieden kommt im Helikop-ter, jetzt nimm dir den Controller / Schieß auch auf ihre Kinder, denn aus ihnen werden Monster.“

Kendler und Kollegen schauen nach oben und hoffen auf die Gunst der Kriegstreiber und Reichen. Dafür schreiben sie vom „Wir“ und verteidigen „unsere Demokratie“. Sie sind diejenigen, die K.I.Z in „Geld wie ein Magnet“ auf die Schippe nehmen: „Ich sag’: ‚Armut verdirbt den Charakter‘/ Mindset: Erfolg ist Einstellungssache.“ Sie schreiben, dass es „jeder schaffen kann“ und wissen „aber nicht alle“, denn „ein Millionär braucht viele Tellerwäscher“.

Maxim, Nico und Tarek müssten laut ihrem Kontostand bei Kendler und Kollegen stehen, sie positionieren sich aber bei denen, die in den letzten 25 Jahren endgültig von den Kriegstreibern aussortiert worden sind – und demnächst vielleicht als Kanonenfutter Verwendung finden. Unten sieht man die Welt mit anderen Augen. Das können die oben, die höher hinaus wollen, nicht verstehen. Sie canceln, weil ihre Party vorbei ist, ohne es gemerkt zu haben. Und sie halten sich für links und kultivieren dabei neben den Spaltungsmechanismen dieser Gesellschaft den Antikommunismus: „Linke diskutier’n auf Twitter: Wer darf links sein, wer darf’s nicht?“ Ihrer Meinung nach die DKP nicht, K.I.Z vermutlich auch nicht mehr, da sie sich mit den Schmuddelkindern haben sehen lassen.

Mit ihren Hirnwichsereien in den „sozialen Medien“ glauben sie die Welt in ihrer Blase zu verbessern. Dabei gehen richtige Hinweise unter: „Warum sind die Karten für K.I.Z-Konzerte doppelt so teuer geworden?“ So können sich diejenigen, über deren Lebensrealität berichtet wird, die Konzerte eben nur leisten, wenn sie als Protest im „Görli“ stattfinden. Und genau an dieser Stelle steht die DKP genau richtig, gegen Ausgrenzung und für Kultur für alle. Deshalb hat die Berliner DKP das Bündnis unterstützt. Aber vielleicht kommt ja auch jemand drauf, dass die UZ sagt, was ist, und dass das ziemlich nah an Rappen, was ist, ist. Hätte die DKP Einfluss auf K.I.Z, würde sie bestimmen, dass die Konzerte für die unten bezahlbar sind.

„Görlitzer Park“ ist ein Album, um sich in die ausgegrenzte Generation einzufühlen, die ahnt, auf welche Seite sie gehört. Das macht das Album auch für Menschen interessant, die mit HipHop nichts anfangen können.


K. I. Z
Görlitzer Park
K. I. Z & Eklat Tonträger, 2024, auf CD, MC, Vinyl und den üblichen Plattformen


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Über den Autor

Björn Blach, geboren 1976, ist als freier Mitarbeiter seit 2019 für die Rubrik Theorie und Geschichte zuständig. Er gehörte 1997 zu den Absolventen der ersten, zwei-wöchigen Grundlagenschulung der DKP nach der Konterrevolution. In der Bundesgeschäftsführung der SDAJ leitete er die Bildungsarbeit. 2015 wurde er zum Bezirksvorsitzenden der DKP in Baden-Württemberg gewählt.

Hauptberuflich arbeitet er als Sozialpädagoge in der stationären Jugendhilfe.

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"Polenböller", UZ vom 5. Juli 2024



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