Edeka will Kaiser’s-Tengelmann

Pokerspiel in der oberen Etage

Von Herbert Schedlbauer

Im bundesdeutschen Einzelhandel brodelt es weiter. Nach der Umstrukturierung der Warenhauskonzerne gibt es jetzt neue Monopolisierungen im Lebensmittelbereich. Betroffen sind diesmal Beschäftigte der Kaiser’s-Tengelmann-Gruppe. Karl-Erivan Haub, Unternehmer von 446 Filialen der Supermarktkette, handelte schon 2014 einen Deal mit Edeka zum Verkauf aus. Doch ob der Coup gelingt, ist nicht sicher. Denn die Fusion von Kaiser’s-Tengelmann (KT) und Edeka ist unklarer denn je.

Betroffen sind rund 15 700 Lohnabhängige. Deren zukünftige Ausbeutung durch Edeka wurde mit einer Entscheidung des Bundeskartellamtes auf Eis gelegt. Das Kartellamt hatte die Übernahme bereits Anfang April aus Wettbewerbsgründen abgelehnt. KT untersagt, vorerst die Schließung von Filialen, eigenen Fleischwerken und Lagern sowie den Wareneinkauf über Edeka vorzunehmen.

Rewe, Markant und Norma, die ebenfalls an dem Food-Konzern Interesse zeigen, kam die Entscheidung gegen Edeka ganz recht. Ist der blaugelbe Riese doch die Nummer 1 des Lebensmittelhandels in Deutschland. 2015 machte dieser 53,28 Milliarden Euro Umsatz.

Wohl mit Ausblick auf die im nächsten Jahr stattfindenden Bundestagswahlen ist der Erlass des Bundeswirtschaftsministers Sigmar Gabriel (SPD) zu sehen. Dieser beharrte nach dem Urteil des Kartellamtes weiter auf eine Fusion mit Edeka. Die Vermutung, zwischen Tengelmann, Edeka und Gabriel habe ein Deal stattgefunden, macht seitdem in den bürgerlichen Medien die Runde. Die Entscheidung des SPD-Ministers bekam nach anfänglicher Zurückhaltung der Vereinigten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) nunmehr deren volle Unterstützung.

Durch die Option mit Edeka konnte ver.di relativ schnell Erfolge verbuchen. So setzte die Gewerkschaft Anfang August im Zusammenhang mit dem geplanten Verkauf von Kaiser’s-Tengelmann an Edeka ein Tarifergebnis durch. Die ausgehandelten Tarifverträge gelten für die Übernahme auf Grundlage der Ministererlaubnis. Sie sichern die Beschäftigten für fünf Jahre vor betriebsbedingten Änderungs- und Beendigungskündigungen. Standorte, die Logistik und die Verwaltung sind für den gleichen Zeitraum einbezogen. Der existenzsichernde Schutz durch Tarifverträge des nordrhein-westfälischen Einzelhandels bleibt erhalten. Doch das ganze birgt gravierende Gefahren. Der vereinbarte Tarif gilt nur bei einer Übernahme durch Edeka. Schnappt ein anderer Konzern zu, muss neu verhandelt werden.

Auf Betreiben von Rewe und weiteren Kaufinteressenten im Übernahmepoker verbot das Oberlandesgericht in Düsseldorf im Juli jedoch den Vollzug der erteilten Ministererlaubnis für den Zusammenschluss. Eine Handvoll kleinbürgerlicher Richter urteilte, wie es in bundesdeutschen Gerichten tägliche Praxis ist, dass ein Eingriff der Politik in solch einem Fall nicht möglich sei, kein „Gemeinwohlinteresse“ vorliege.

Nach Auffassung der Gewerkschaft bedeutet diese Entscheidung „eine Unsicherheit für die Beschäftigten. Anders als das Gericht feststellt, ist der Erhalt der Arbeitnehmerrechte der Beschäftigten von Kaiser’s-Tengelmann ein nachvollziehbares Kriterium des Gemeinwohlinteresses“, so Stefanie Nutzenberger, zuständig für den Handel beim ver.di-Bundesvorstand.

Das Pokern um die Beschäftigten kann sich angesichts des juristischen Tauziehens noch lange hinziehen. Gespannt schauen die Belegschaft und ihre Betriebsräte deshalb auf den 23. September (nach Redaktionsschluss). Der Kaiser’s-Tengelmann-Boss berief für diesen Tag eine außerordentliche Aufsichtsratssitzung ein. Zu befürchten ist, dass hier der Konzern zerschlagen werden soll. Der Verkauf sogenannter „Rosinenstücke“ würde das endgültige Aus bedeuten.

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"Pokerspiel in der oberen Etage", UZ vom 23. September 2016



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