Außenministerin Baerbock zu Antrittsbesuchen in Kiew und Moskau. Kriegshetze geht weiter

Poker gegen Russland

Vor knapp sechs Jahren sagte der damalige deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) „Bild am Sonntag“: „Was wir jetzt nicht tun sollten, ist durch lautes Säbelrasseln und Kriegsgeheul die Lage weiter anzuheizen.“ Mit „wir“ waren die NATO und ihre Großmanöver in der Nähe der russischen Westgrenze gemeint. Seitdem wurde deren Umfang von Jahr zu Jahr größer, zum Beispiel bei beiden „Defender Europe“-Übungen der Jahre 2020 und 2021. Gemessen an der Berichterstattung in den deutschen Konzern- und Staatsmedien fanden die nicht statt.

Heute steht zudem fest, dass Steinmeier Halluzinationen hatte. Denn laut deutschen Politikern und Medien hat es nicht einmal eine NATO-Truppenstationierung in Osteuropa gegeben. Am Dienstag erklärte Steinmeiers Amtsnachfolger Sigmar Gabriel (SPD) auf „tagesspiegel.de“, die NATO stehe „gar nicht an Russlands Grenzen“. Und fügte an: „Nur im Baltikum gibt es seit dem Einmarsch der Russen auf der Krim einen NATO-Verband, der aber nicht einmal permanent organisiert ist.“ So läuft das in den Beziehungen westlicher Staaten mit Russland gegenwärtig.

In der Bundesrepublik lässt sich eine mindestens dreifache Politik beobachten, ein wahrer Poker: Erstens wiederholen Kanzler und Außenministerin rituell, wie Olaf Scholz (SPD) am Montag in Madrid und Annalena Baerbock (Die Grünen) in Kiew, dass die Manöver russischer Streitkräfte an der ukrainischen Grenze „eine Gefahr für die Souveränität der Ukraine“ seien. Die Lage sei „sehr, sehr ernst“ und Russland werde im Falle eines Angriffs auf die Ukraine einen hohen Preis bezahlen. Nun aber gehe es darum, eine Eskalation zu verhindern. Zweitens versuchen die deutschen Medien von „Bild“ bis „FAZ“ und Staatsfunk sich wieder einmal in antirussischer Hysterie zu übertreffen. Der „Spiegel“ forderte zum Beispiel die Lieferung „letaler Waffen“ an Kiew. Das schloss Außenministerin Annalena Baerbock am Montag in Kiew offiziell aus. Drittens und entscheidend sahen sich die USA zu Gesprächen mit Russland unter Ausschluss von EU und NATO veranlasst, sehr zu deren Ärger. Zu diesem Elefanten im Raum und dem Hintergrund – Russland hat offenbar ein militärisches Gleichgewicht bei bestimmten Waffen mit den USA hergestellt – äußerten sich Baerbock und ihr russischer Amtskollege am Dienstag in Moskau öffentlich nicht.

Bei ihrer Pressekonferenz im Anschluss an ein ursprünglich auf eine Stunde angesetztes, aber mehr als zweieinhalb Stunden dauerndes Gespräch betonten beide auffällig zahlreiche gemeinsame Interessen: Handel, Wasserstoffproduktion, Wiederaufbau Syriens, Rettung des Atomabkommens mit dem Iran, Umgang mit Afghanistan, das Dayton-Abkommen auf dem Balkan und anderes mehr. Lawrow hielt gegen entsprechende Vorhaltungen Baerbocks fest, dass sich russische Streitkräfte zu Manövern auf russischem Territorium befänden, Moskau nicht drohe, wohl aber Drohungen der NATO ausgesetzt sei. Er forderte deutsches Engagement, damit Kiew seine „Sabotage“ am Minsker Abkommen beendet und seine Verpflichtungen erfüllt. Das Abkommen sei „alternativlos“ und Russland keine Seite in dem Konflikt. Er bescheinigte zugleich der Biden-Regierung, dass sie im Unterschied zu der Donald Trumps in dieser Frage eine „realistische Position“ einnehme. Aber die Beziehungen zwischen seinem Land und der EU seien „Geisel der antirussischen Linie in Brüssel und der einiger EU-Staaten“. Darauf könne Berlin Einfluss nehmen. Die Gespräche seien „von Nutzen“: „Wir können uns nur langsam vorwärts bewegen.“

Am selben Tag berichteten Medien, dass kanadische Spezialkräfte zur Unterstützung Kiews entsandt worden seien. Das Muster lautet: Gespräche führen und die Bedrohung Russlands ausbauen.

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"Poker gegen Russland", UZ vom 21. Januar 2022



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