Zwei Verhandlungsrunden bewegte sich nichts bei Peter-Jürgen Schneider, dem Vertreter der Länder. Gemeinsam mit der Riege seiner Ministerpräsidenten hörten wir seit November die uns seit Jahren bekannte Leier „zu teuer und nicht bezahlbar“. Doch bei der dritten Verhandlungsrunde in Potsdam war plötzlich alles ganz anders. Gewerkschaften und Ländervertretungen einigten sich auf einen neuen Tarifvertrag der Länder (TV-L). Am Freitagabend (17. Februar) waren alle zufrieden. Obwohl ein Tag vorher noch nicht mal ein Angebot vorgelegen haben soll.
Rund eine Million Länderangestellte im öffentlichen Dienst bekommen in den nächsten zwei Jahren 4,35 Prozent mehr Gehalt. Die lineare Erhöhung wird in zwei Schritten rückwirkend zum 1. Januar 2017 und ab 1. Oktober 2018 erfolgen. Für die untersten Lohngruppen sind mindestens 75 Euro vorgesehen. Verständigt wurde sich auch darauf, die Länder-Besoldungstabellen an die des Bundes und der Kommunen anzupassen.
Dadurch kommen vor allem angestellte Lehrer jeden Monat bis zu 150 Euro mehr. Allerdings betrifft dies überwiegend Lehrer in den neuen Bundesländern. Die wurden nach 1989 nur als Angestellte eingestellt. Die Kosten dazu halten sich in Grenzen. Viele der dortigen Lehrkräfte stehen mittlerweile kurz vor dem Ruhestand.
Vielleicht auch deshalb konnte die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) die Einführung einer Stufe 6 durchsetzen. Diese Stufe wird für die Entgeltgruppen 9 bis 15 drei Prozent über den Entgeltwerten der bisherigen Stufe 5 des TV-L liegen. Sie wurde in zwei Abschnitten mit 1,5 Prozent zum 1. Januar 2018 und 1,5 Prozent zum 1. Oktober 2018 vereinbart.
Obwohl die Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) in zahlreichen Aktionen für die Jugend und auch in Tarifrunden deutliche Erhöhungen der Ausbildungsvergütungen forderte, bekommen diese lediglich jeweils 35 Euro in zwei Schritten. Die Übernahme eines Lernmittelzuschusses von jährlich 50 Euro wurde gleich wieder eingestampft. Beim Urlaub gibt es künftig 29 Tage für Azubis. Keine Einigung gab es auch darüber, wie die schulischen Ausbildungsgänge in den Geltungsbereich der Tarifverträge der Azubis einbezogen werden.
Auch und gerade für die Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst und im Pflegebereich der Länder gibt es kein besseres Ergebnis. Verabredet wurde lediglich eine Prozessvereinbarung über die Aushandlung einer neuen Entgeltordnung. Bis zu einer Einigung, die in der Tarifrunde 2019 angestrebt wird, erhalten die Beschäftigten je nach Eingruppierung 50 bis 100 Euro mehr pro Monat. Erzieherinnen und Kita-Leitungen 80 Euro.
Das jetzige Ergebnis von zwei Prozent brutto deckt nicht einmal den Inflationsausgleich. Wie das statistische Bundesamt Wiesbaden veröffentlichte, lag die Inflationsrate im Januar 2017 bei 1,9 Prozent. So sind die Kosten für Energie und Kraftstoffe um 5,8 und Nahrungsmittel um 3,2 Prozent höher als im Januar 2016. Hinzu kommen explosionsartige Steigerungen bei den Mieten.
Einen Vorgeschmack auf Rot-Rot im Land oder zukünftig im Bund lieferte sich die Landesregierung in Thüringen. Gab es schon während des Arbeitskampfes keine Unterstützung durch den Ministerpräsidenten Bodo Ramelow (Partei „Die Linke“) für die Beschäftigten und ihre gewerkschaftlichen Forderungen, so äußerte sich unmittelbar nach bekannt werden des Ergebnisses dessen Finanzministerin Heike Taubert (SPD) gegenüber dpa. „Thüringen müsste bis Ende 2018 rund 98 Millionen Euro dafür aufbringen. Spielräume bei freiwilligen Leistungen würden deshalb dauerhaft eingeschränkt“. Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt hatten der Tarifvereinbarung nicht zugestimmt.
ver.di, der Deutsche Beamtenbund (dbb) und die GEW forderten ursprünglich sechs Prozent mehr Gehalt für ein Jahr. Schon zu Beginn der Tarifauseinandersetzung im Januar gab es erste Anzeichen für einen nicht allzu langen Arbeitskampf. Insider, sowohl aus dem dbb als auch bei ver.di begründeten dies mit dem Wahljahr 2017. Eine Rücksichtnahme, die von Teilen der organisierten Beschäftigten im öffentlichen Dienst kritisch kommentiert wird.