Meyer Werft in finanzieller Notlage – 440 Arbeitsplätze in Gefahr

Planlose Sanierer

Jan Boerma

Die Papenburger Meyer Werft ist nach 2020/21 erneut in eine Schieflage geraten und steht mit dem Rücken zur Wand. Es fehlen der Werft laut NDR 2,8 Milliarden Euro liquide Mittel, darunter 550 Millionen Kreditschulden, die im November zurückzuzahlen sind. Obwohl die Auftragsbücher gut gefüllt sind und sechs Kreuzfahrtschiffe, ein Forschungsschiff und vier Offshore-Konverterplattformen beinhalten, ist es infolge der Corona-Krise und der allgemeinen Preissteigerungen zu erheblichen finanziellen Verlusten gekommen.

Bereits im letzten Jahr hat sich Werftbesitzer Bernard Meyer aus der Geschäftsführung zurückgezogen und einen externen CEO ins Haus geholt, der laut Pressemitteilung „für die weltweiten Aktivitäten im Schiffbau und die Meyer Werft in Papenburg verantwortlich sein“ soll. Außerdem wurde, vermutlich auf Druck der Banken, Anfang des Jahres Ralf Schmitz als Chefsanierer auf die Werft geholt.

Schmitz gab vergangene Woche auf einer Betriebsversammlung bekannt, dass an den Standorten Papenburg, Rostock und Turku insgesamt 440 Arbeitsplätze abgebaut werden sollen. Vom Stellenabbau betroffen sind laut NDR vor allem Ingenieure aus Forschung, Design und Entwicklung. Aber auch die übrigen Meyer-Beschäftigten sollen, wie schon in den Jahren von 2020 bis 2023, Opfer bringen – was Einschnitte beim Weihnachts- und Urlaubsgeld sowie unbezahlte Überstunden bedeutet.

Nach der Betriebsversammlung begaben sich die Mitarbeiter auf das Werftgelände, wo IG-Metall-Funktionäre und der Betriebsrat die Presse über die Pläne der Werft-Bosse informierten. Daniel Friedrich, Leiter der IG Metall Küste, sagte: „Die Pläne der Geschäftsführung wären ein harter Schlag für die Betroffenen und die Region. Die Lage der Meyer Werft ist sehr ernst, aber ein planloser Personalabbau ist keine Lösung. Wir werden eine Kahlschlagpolitik nicht akzeptieren und für die Zukunft aller Beschäftigten kämpfen.“

Der Bevollmächtigte der IG Metall Leer-Papenburg, Thomas Gelder, befürchtet, dass zusätzlich weitere 120 Beschäftigte mit befristeten Verträgen ihren Job verlieren werden. Er forderte, über Umstrukturierungen im Betrieb nachzudenken und Umbesetzungen und Qualifikationen durchzuführen, um die Werft profitabler zu machen. „Da müssen nicht als erstes die Tarif-Beschäftigten drunter leiden. Sie mussten sowieso schon viele Kröten schlucken in letzter Zeit“, zitierte ihn die „Ostfriesen-Zeitung“.

Auch Andreas Hensen, Betriebsratsvorsitzender der Meyer Werft, wies gegenüber dpa darauf hin, dass die Belegschaft in den letzten Jahren unbezahlte Mehrarbeit in Höhe von 40 Millionen Euro geleistet habe. Die Belegschaft solle nun für die Fehler des Managements in die Pflicht genommen werden. „Wir finden, irgendwann reicht es, man kann nicht immer alles auf den Rücken der Kollegen austragen“, so Hensen.

Der niedersächsische Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) kritisierte den geplanten Stellenabbau und forderte Vorschläge im Sinne der Beschäftigten. Die Entlassung von Werftmitarbeitern habe auch in der Vergangenheit nicht weitergeholfen, er erwarte Vorschläge im Interesse der Beschäftigten.

Anfang Juni wird es Gespräche zwischen der Geschäftsleitung, der IG Metall und dem Betriebsrat geben, die spätestens Ende des Monats abgeschlossen sein sollen. Für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze werden die Beschäftigten kämpfen müssen. Ein weiterer Lohnverzicht verspricht keinen Erfolg.

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"Planlose Sanierer", UZ vom 7. Juni 2024



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