Während sich die Gelbwesten-Bewegung in Frankreich deutlich gegen Neoliberalismus und Sozialabbau positioniert, versuchen in der Bundesrepublik zunehmend reaktionäre und rechte Trittbrettfahrer von den entschlossenen Protesten im Nachbarland zu profitieren. So kam es in der jüngsten Vergangenheit vor allem in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg zu Bemühungen dubioser und teils auch rechtsextremer Zusammenschlüsse und Aktivisten, die Öffentlichkeit zu täuschen und in Gelbwesten gekleidet für reaktionäre Inhalte auf die Straße zu gehen. In Düsseldorf versuchten beispielsweise Personenkreise aus dem Spektrum der extrem rechten „Patrioten NRW“, die Gelbwesten-Bewegung zu kopieren. Auch in Essen gab es ähnliche Versuche, die jedoch wie zuvor schon in der NRW-Landeshauptstadt mangels Teilnehmerzahlen scheiterten. So erschienen zu den großspurig angekündigten Protesten in beiden Fällen unter 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmer.
Etwas größeren Zulauf erhielten die Splittergruppen kürzlich in Karlsruhe. Dort gingen in diesem Monat etwa 170 Personen auf die Straße. Zwar betonten die Organisatoren, dass die Gelbwesten in der Region „sich keinem politischen Lager zuordnen lassen“ wollten, faktisch schlossen sie jedoch Antifaschisten von den Protesten aus, während andere Teilnehmer rechtsextreme und rassistische Parolen brüllten. Verschiedene linke Organisationen berichteten im Nachgang an die Karlsruher Proteste davon, dass sich die dortigen Proteste der „Gelbwesten“ „als Sammelsurium überwiegend rechtsgerichteter Personen“ entpuppt hätten. Unter den Teilnehmern seien sowohl Vertreter der extrem rechten „Berserker Pforzheim“, der „Identitären Bewegung“ als auch aus dem Umfeld der AfD gewesen, hieß es.
Weil bei den bisherigen Protestversuchen deutscher Gelbwesten mehrheitlich versucht wurde, soziale Fragen zu thematisieren und eine pauschale und weitgehend undefinierte Kritik an den bestehenden Verhältnissen zu äußern, gewinnen die Gelbwesten aktuell vor allem in der Auto-Stadt Stuttgart und in München an Zulauf. Dies liegt daran, dass in beiden Städten mögliche Dieselfahrverbote die Proteste dominieren. So waren in Stuttgart kürzlich mehrere Hundert Menschen dem Aufruf zu Protesten gefolgt, um gegen Dieselfahrverbote zu demonstrieren. Unterstützt wurden die Demonstranten dabei ausgerechnet von etablierten Parteien wie CDU, FDP und Freien Wählern, die versuchten, gegen Bündnis 90/Die Grünen und damit die vermeintlichen Umweltschützer und Unterstützer eines Dieselfahrverbotes in der baden-württembergischen Landesregierung mobil zu machen. Eben hier offenbart sich auch der gravierende Unterschied zwischen den Gelbwestenprotesten in Frankreich, die explizit gegen die dort herrschende Elite und den immer weiter ausufernden Neoliberalismus kämpfen, und den reaktionären deutschen Möchtegern-Wutbürgern, die sich einzig dem einstigen CDU-Wahlkampfslogan „Freie Fahrt für freie Bürger“ verpflichtet fühlen und bestenfalls aus Eigeninteresse, nicht aber aus Sorge um das Allgemeinwohl aufmarschieren. Bei nicht wenigen Protesten dieser Mischszenen kam es in der Vergangenheit vor allem zu Hasstiraden gegen die Deutsche Umwelthilfe, Naturschützer und die politische Linke. Mancherorts wurden anwesende Linke auch von den Protesten ausgeschlossen.
Zu den Protesten in Stuttgart und München hatten unter anderem ein Automobilclub und einzelne Mitarbeiter von Automobilherstellern aufgerufen. Begeisterung ob der Proteste brach vielerorts vor allem bei der AfD aus.
Antifaschistische Organisationen wollen die Demonstrationen unterdessen im Auge behalten. Nicht selten finden sich Rechte, AfD-Anhänger, Rassisten, Leugner des Klimawandels und wüste Verschwörungstheoretiker zusammen. Diesen dürfe jedoch keinesfalls widerspruchslos die Straße überlassen werden, hieß es etwa seitens Mitgliedsgruppen der „Interventionistischen Linken“.