Argentinien stand doch im Finale

Pitanas Weg zum Gott in Frankreich

Von Günter Pohl

Nach der Fußball-Weltmeisterschaft 2014 führte die UZ in ihrer Ausgabe vom 18. Juli 2014 den Beweis, dass nicht nur Gott, sondern auch seine Antithese, der Abgott, Argentinier ist. Da hatten die Argentinier allerdings durch ein Tor, an dem sich Deutschlands Fußballfans im wahren Sinne des Wortes ergötzen konnten, soeben das Finale verloren.

Nun wird Deutschland mangels neuer Heldenepen Wiederholungen dieses Tores weitere vier Jahre lang vor sich hertragen, während Argentinien immerhin von sich sagen kann, wenigstens nicht gegen Südkorea, sondern gegen den Weltmeister ausgeschieden zu sein. Und das mit 3:4 auch noch denkbar knapp; niemand hatte die Franzosen so sehr an den Rand der Niederlage gebracht. Diego Maradona, die „Hand Gottes“ auf den Rängen, schien deutlich verunsichert, ob er den Allmächtigen oder lieber gleich sich selbst beschwören sollte, um die Niederlage von Messi & Co verhindern zu helfen.

Das Finale der WM 2018 fand also ohne Argentinien statt, aber das heißt nicht, dass Gott nicht seine Rolle gehabt hätte – denn „sin argentino no es fiesta“ weiß man am Río de La Plata ohne falsche Bescheidenheit: Ohne Argentinier geht es halt nicht. Gleich zwei falsche Entscheidungen in der ersten Halbzeit steuerte der Pfeifenbeauftragte bei, Schiedsrichter Néstor Pitana aus Argentinien, auf dass Frankreich in diesem Spiel gegen Kroatien mit zwei dadurch erzielten Toren zur Pause nicht etwa verdient auf die Verliererstraße, sondern in die Erfolgsspur kam.

Nun heißt „pitar“ im Spanischen „pfeifen“, und zwar auch im Sinne eines Fußballspiels. In Argentiniens Nachbarland Chile hat „pitar“ zudem die Bedeutung von „verpfeifen“, im Sinne von Betrug. Namensspielchen aber verbieten sich, heißt es in seriösen Zeitungen. Daher begnügen wir uns hier mit dem wahren Leben.

Und in dem hat der Herr Pitana am 22. Oktober 2015 seine Sympathie für den rechtsgerichteten Landsmann Mauricio Macri bekundet, der sich im Wahlkampf um die Präsidentschaft des Landes Daniel Scioli gegenübersah. In einem Tweet äußerte er seine „bescheidene Meinung: Wer [wie Scioli] seine Provinz zerstört hat, darf nicht ein Land regieren. Der einzige, der eine erfolgreiche Amtsführung hatte, war Macri.“

Selbst ein Unparteiischer, wie die Fußballschiedsrichter wider alle Lebenserfahrung immer noch genannt werden, darf natürlich eine politische Meinung haben. Und sie dann auch äußern.

Als die kroatische Präsidentin Kolinda Grabar-Kitarovic im März Pitanas politischem Freund Macri bei ihrem Staatsbesuch in Argentinien ein Trikot der kroatischen Fußballmannschaft schenkte, versehen mit dem Namen des argentinischen Präsidenten, war ihr weder klar, dass ihre Mannschaft bis ins Finale kommen würde, noch dass ihr das Geschenk im Falle eines Endspielgegners Frankreich schon gar nicht helfen würde. Denn nicht nur, dass die einzige irdische Institution, die wirklich gottgleiche Kompetenzen hat, die FIFA ist und diese den Argentinier Pitana das Endspiel (ver)pfeifen ließ. Nein, Macri ist – Namensspielchen hin oder her – zudem auch noch ein Möchtegern-Macron. Dieser hatte ihn zwar bei seinem Besuch im Elysée mit der Bitte nach einem Freihandelsvertrag der EU mit dem MerCoSur abblitzen lassen, weil das schädlich für die französische Viehzucht sei, aber beim Thema Venezuela und der Nichtanerkennung der dortigen Wahlen war man sich einig. Und dicke Freunde in Sachen Abbau sozialstaatlicher Errungenschaften sind Macri und Macron schon lange.

Ist alles zu weit hergeholt? Néstor Pitana ist möglicherweise gar nicht diese weiten politischen Wege gegangen um sich selbst seine Vorliebe für einen französischen Sieg herzuleiten, und der kommunistische Hang zum Materialismus sollte hier lieber einmal den Irrationalismus zu Rate ziehen: In der Vorrunde hatte Kroatien Argentinien mit 3:0 gedemütigt. Und da hört der Spaß auf.

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"Pitanas Weg zum Gott in Frankreich", UZ vom 20. Juli 2018



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