99.999.691.000 Euro sind schon verplant, der verbliebene Rest des Bundeswehr-„Sondervermögens“ vom Februar 2022 reicht gerade noch, um die Hälfte der deutschen Leopard-Panzer einmal aufzutanken. Kriegsertüchtigungsminister Boris Pistorius (SPD) ist derweil unbeirrt auf Shopping-Tour. Auf dem aktuellen Bestellzettel stehen zwei Fregatten des Typs F126 (Preis: 3 Milliarden Euro, Lieferdatum 2028). Beim Lieferanten, der niederländischen Marinewerft Damen Schelde Naval, hat Pistorius bereits die Option für weitere Fregatten vormerken lassen. Der Deal mit Rheinmetall über 900 Schützenpanzer vom Typ „Fuchs“ ist noch nicht in trockenen Tüchern, obwohl das Angebot (Paketpreis von 4 Milliarden Euro) überaus günstig erschien. Im Rennen ist auch noch der finnische Rüstungskonzern Patria, der zusammen mit Defence Service Logistics (DSL) und der Flensburger Fahrzeugbau Gesellschaft (FFG) für die nächsten Jahre ein Volumen von 1.000 Einheiten anbietet.
Am 9. April meldete Pistorius beim Haushaltsausschuss des Bundestags die Order über 35 weitere Leopard-Kampfpanzer an (circa 1 Milliarde Euro). Nachdem im letzten Herbst bestellte 34.000 neue Funkgeräte (über 1 Milliarde Euro) nur noch Schrottwert haben (man hatte sich bei den Einbaumaßen verschätzt), soll es jetzt wenigstens mit der Lieferung von 200.000 gefechtstauglichen „Gehörschutzkopfhörern mit Sprechfunktion“ klappen (2,8 Milliarden Euro). Die Liste ließe sich fortsetzen. In der Ampel-Koalition redet man laut „Frankfurter Rundschau“ über eine Finanzierungslücke von 350 Milliarden Euro, soll in den nächsten fünf Jahren die Kriegsbereitschaft hergestellt werden – unabhängig vom jährlichen Militäretat in Höhe von derzeit 52 Milliarden Euro (angestrebt: 80 Milliarden Euro).Doch nicht nur künftige Kriege kosten schon heute, auch die laufenden: Für 2024 sind bereits Militärhilfen für die Ukraine in Höhe von knapp 8 Milliarden Euro genehmigt. Im vergangenen Jahr hatte die Bundesrepublik ihre Rüstungslieferungen an Israel im Vergleich zum Vorjahr verzehnfacht. Angesichts der jahresüblichen Höhe des Bundeshaushalts (circa 450 Milliarden Euro) stellen sich die Kriegswirtschaftler die Frage, wo das Geld herkommen soll. Dafür gibt es nur zwei Wege oder eine Mischung aus den Zweien. Wer das alles zu zahlen hat, ist dabei immer gleich.
Erstens: Der Bund nimmt neue Schulden in zwei- oder dreistelliger Milliardenhöhe auf, entweder durch die (teilweise) Abschaffung der Schuldenbremse oder durch ein „Sondervermögen Kriegstüchtigkeit“ (wobei Letzteres nach dem jüngst ergangenen Urteil des Bundesverfassungsgerichts eher unwahrscheinlich ist). Pistorius denkt an den Feind im Osten und dabei über die Zeit der Ampel hinaus: „Im Zweifel wird man auch über zusätzliche Schulden reden müssen – in dieser Koalition oder in der nächsten.“ Es gilt das Pickelhauben-Primat: „Uns nützen die schönsten digitalen Bibliotheken und die schönsten Fahrradschnellwege nichts, wenn wir angegriffen werden und nicht in der Lage sind, uns verteidigen zu können“. Dabei handelt es sich um Schulden, die künftige Generationen – sofern sie es erleben – über ihre Besteuerung abtragen dürfen, schon heute ist die Bundesrepublik in Höhe von 2.500 Milliarden Euro verschuldet.
Die zweite Variante: Die Sozial-, Gesundheits- und Bildungshaushalte werden für den Aufmarsch an der Ostfront geplündert, vielleicht gibt‘s flankierend auch einen „Militär-Soli“, wie ihn die „Wirtschaftsweise“ Monika Schnitzer im letzten Dezember vorgeschlagen hatte. Einem Kriegsbegeisterten ist das letzten Endes wohl gleich: Mit oder ohne Lockerung der Schuldenbremse führt nach Finanzminister Christian Lindner (FDP) kein Weg an Kürzungen im Sozialbereich vorbei. Schließlich können die aufgelegten Militarisierungsprogramme (einschließlich des geplanten Umbaus des Zivil- und Heimatschutzes) nur aufrechterhalten werden, wenn zwischen 20 und 30 Milliarden Euro jährlich zusätzlich in den Militäretat fließen. Alles andere „ist Schlaraffenland. Das geht nicht. Sondern Kanonen ohne Butter“, verkündete am 26. Februar der Präsident des Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung, Clemens Fuest, die Ziele der neuen Finanzpolitik. Aufrüstung und Sozialabbau sind eben unzertrennlich.