Walter Heynowski zählt gemeinsam mit seinem Regie-Partner Gerhard Scheumann zu den wichtigsten Dokumentarfilmern der DDR. In 25 Jahren entstehen mehr als 70 Dokumentarfilme, von denen viele auch international ausgezeichnet wurden. Leitgedanke fast aller ihrer Filme ist die Auseinandersetzung mit der imperialistischen Politik in aller Welt. Das Interesse und den Erfolg bezeugen auch mehr als 40 Retrospektiven des Studios „H&S“, die zwischen 1974 und 1989 auf der ganzen Welt liefen. Seit 1960 konzentriert sich Walter Heynowski auf die Herstellung von Dokumentationen. Er inszeniert mehrere Sendungen, die vom Deutschen Fernsehfunk produziert und ausgestrahlt werden. Themen sind immer wieder der westdeutsche Revanchismus und das Wirken von Nazi-Größen in der BRD.
Von 1963 bis 1969 wird Walter Heynowski als Autor und Regisseur im DEFA-Studio für Dokumentarfilme tätig. Dort lernt er 1965 Gerhard Scheumann kennen, mit dem ihn bis zu dessen Tod eine intensive Arbeitsbeziehung verbindet. In der Folge entstehen zahlreiche Filme, wobei die von der „DEFA-Gruppe 11“ produzierte Dokumentation „Der lachende Mann“ (1966) großen internationalen Erfolg verzeichnen konnte. Das Studiogespräch mit Major Müller, der sich im Kongo als Söldner besonders ‚rühmlich‘ hervorgetan hat, gewinnt auf dem Internationalen Dokumentarfilmfest Leipzig den Sonderpreis der Jury. Mit dem Interviewfilm „Piloten im Pyjama“ beginnt eine vierteilige Reportage über Vietnam die über das Ende Krieges hinausgeht. Hier sprechen sie mit Piloten abgeschossener US-amerikanischer Bomber über ihre Aufträge und Einstellungen. Die nationalen und internationalen Erfolge des Studios erzielen sie mit Werken wie dem Film „Der Präsident im Exil“ (1969) mit Dr. W. Becher, dem Sprecher der Sudetendeutschen Landsmannschaft und Mitglied des Bundestages, und mit dem Reportagefilm „Psalm 18“ (1975), in dem der chilenische Diktator Pinochet versucht, den Segen der Kirche zu erhalten. „Der Krieg der Mumien“ (1974) schildert den Kampf kapitalistischer Konzerne gegen die Regierung von Salvadore Allende, „Ich war, ich bin, ich werde sein“ (1974) beschäftigt sich mit politischen Gefangenen in den Lagern der Pinochet-Diktatur und in „El Golpe Blanco – Der weiße Putsch“ (1975) wird die chilenische Bourgeoisie demaskiert, die Allende nicht unterstützt hat.
Nach dem Ende des Krieges in Vietnam dokumentieren sie den Neubeginn in dem Land. „Die Teufelsinsel“ (1976) erzählt von der Gefängnisinsel Con Son, in „Ich bereue aufrichtig“ (1977) stehen vier Offiziere vor der Kamera, Insassen eines Umerziehungslagers, die einen Blick auf ihr Leben werfen, und in „Ein Vietnamflüchtling“ (1979) ist es ein ehemaliger General der südvietnamischen Polizei, der nun in den USA ein Restaurant betreibt.
Herbert Becker
Walter Heynowski, Gerhard Scheumann
Piloten im Pyjama
• Kindler Verlag, München 1968; Lizenzausgabe des Verlags der Nation, Berlin
• DVD-Box mit Booklet: 24 Seiten mit einem ausführlichen Essay von Olaf Möller sowie Informationen zum Film und den Filmemachern
Beides ist in diversen online-shops noch erhältlich
Seit 1964 führten die USA einen gnadenlosen Luftkrieg gegen die Demokratische Republik Vietnam (DRV)/Nordvietnam. Die ersten Angriffe flogen amerikanische Kampfpiloten bereits am 5. August 1964, einen Tag nach der angeblichen Attacke gegen den US-Zerstörer „Maddox“ im Golf von Tonking. Historisch erwiesen ist, dass kein Angriff erfolgt ist. Die später bekannt gewordenen „Pentagon-Papiere“ und die Memoiren des damaligen US-Verteidigungsministers Robert McNamara belegen, dass die US-Regierung die Vorfälle durch bewusste Falschdarstellung zum Durchsetzen ihres seit 1963 geplanten direkten Kriegseintritts benutzte. Eines der angreifenden US-Flugzeuge wurde bereits an diesem Tag abgeschossen. Der Pilot rettete sich mit dem Fallschirm und wurde gefangen genommen. Über 2 551 Flugzeuge der US-Luftwaffe werden bis zur Einstellung der Bomberflüge von der vietnamesischen Luftabwehr von Boden-Luft-Raketen, Flak, Gewehrfeuer und MIGs vom Himmel geholt.
„Was für Leute mögen das sein, die den Luftraum Vietnams verletzen und ihre tödlichen Lasten abwerfen?“ Diese Frage stellten sich nicht nur Millionen Menschen in aller Welt, sondern auch die beiden Dokumentarfilmer Walter Heynowski und Gerhard Scheumann aus der DDR. „Es drängte uns, diese Leute kennenzulernen.“ Sie erhielten durch die Regierung der DRV die Erlaubnis, diese Leute tatsächlich kennenzulernen und mit ihnen zu sprechen. Aus den Gesprächen mit zehn abgeschossenen Kampfpiloten entstanden ein Buch und ein Doku-Film mit dem Titel „Piloten im Pyjama“. Er erregte 1968 großes Aufsehen in der Weltöffentlichkeit, auch in den USA.
Die Donnergötter
Es war in der Hochphase des Kriegs, den die USA in Vietnam führten. 1967 fliegen die USA täglich Angriffe gegen Vietnam. Zum Einsatz kommt Kampfjets wie die F-105 Thunderchief (Donnergott) und die auch hierzulande bekannte Phantom-4 und natürlich die berüchtigten B-52. Sie tragen Bomben mit einem Gewicht von 3 000, 2 000, 750 oder 250 Pfund Sprengstoff, außerdem Kugelbomben mit ihren verheerenden Wirkungen. Die „Luftpiraten“, wie sie in Vietnam genannt werden, werfen sie über den Städten und Dörfern ab. Ähnlich wie Splitterbomben zerspringen die Kugelbomben beim Aufschlag in zahlreiche Stahlkugeln, die wiederum in zahllose Metallkügelchen zerplatzten. Diese Bombe ist eine Antipersonenwaffe, die ungezählt viele Zivilisten, vor allem Kinder, schwer verletzte und tötete. Sie war konstruiert worden, nicht um Gebäude und Material zu zerstören wie Sprengbomben, auch nicht wie Napalmbomben, die ganze Flächen in Brand setzten und vergifteten, diese Kugelbomben galten gezielt Menschen. Diese perfide Waffe spielt in den Interviews eine wichtige Rolle. Heynowski und Scheumann konfrontieren ihre Interviewpartner mit Resten dieser Kugelbomben und geflochtenen schweren Strohhüten, die Kinder vor der Wirkung dieser Bomben ein wenig Schutz bieten sollen. Alle Bomberpiloten tun sich zunächst schwer zu erkennen, für wen und warum die dicken Strohhüte hergestellt wurden. Nachdem sie darüber aufgeklärt wurden, schweigen die meisten betroffen oder geben zumindest zu, dass sie über die Wirkung der Bomben anders informiert worden waren. Für sie waren das lediglich Anti-Flak-Waffen. Über ihren wahren Zweck haben sie sich keine Gedanken gemacht.
Und damit kommt man zum Kernpunkt der Gespräche. Die Autoren kommen in jedem ihrer Interviews auf das Thema „Warum macht ihr das? Sehr ihr euch in der Verantwortung für euer Tun?“ Die Antworten sind erschreckend, aber nicht wirklich überraschend. James Lindberg Hughes: „Als Pilot ist man nur ein Instrument im Krieg und man hat die Arbeit zu tun, für die man ausgebildet wird.“ Ein anderer sagt: „Für mich ist das mein Job – nur so betrachte ich das.“ Oder Flieger-Offizier Herbert Benjamin Ringsdorf, damals 26 Jahre, mit deutschen Vorfahren: „Wenn ich bombardiert habe, ist es nicht mehr als das, was in allen anderen Kriegen gemacht wurde.“ Heynowski lenkt seine Gedanken auf die Kriegsverbrecherprozesse von Nürnberg und die auch durch US-Richter vorgetragenen Aspekte der persönlichen Verantwortung der Offiziere der Hitler-Armeen. Ringsdorf kann dies nicht beeindrucken. „Nein, ich weiß von keinen Handlungen, für die ich mich persönlich verantwortlich fühle.“ Politik interessierte die Piloten wenig, obwohl fast alle eine akademische Ausbildung hatten. James Richard Shively, der jüngste der abgeschossenen Piloten, hat sogar einen Abschluss in internationaler Politik. Er kommt ins Grübeln und denkt darüber nach, ob es nicht richtig sei, einen Beitrag zur Wiedergutmachung zu leisten.Er ahnt, dass Vietnam den Krieg gewinnen wird: „… Ich habe gelernt, dass die Vietnamesen sehr entschlossen sind. Das Land wird den Sieg davontragen, da es entschiedener ist.“ „Die erschütternde Erkenntnis lautet: Mit solchen Leuten, die eigentlich nur die Bezeichnung ‚Fachidioten‘ verdienen ist jeder Krieg möglich – auch der schmutzigste“, schreiben Heynowski und Scheumann.
Alle in dem Buch befragten Piloten haben die Interviews völlig freiwillig und ohne Druck mitgemacht. Alle berichteten sie, human behandelt worden zu sein. Nicht nur im Gefängnis Hoa Lo, wo sie bis zu neun Jahren einsaßen, sondern auch von den Dorfbewohnern und den Milizen, die sie gefangen nahmen. Das Gefängnis nannten sie übrigens „Hanoi Hilton“. Frei kamen sie unmittelbar nach Unterzeichnung des Pariser Friedensabkommens im Frühjahr 1973. Einige der abgeschossenen Piloten stiegen später in hohe politische Positionen auf. Douglas B. Peterson befand sich sieben Jahre in Hoa Lo und kehrte nach Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen der USA mit Vietnam 1995 als Botschafter der USA nach Hanoi zurück. John McCain, der Sohn des US-Admirals der US-Pazifik-Flotte, wurde auf seinem 23. Flug über Hanoi abgeschossen. Ein junger Vietnamese rettete ihm das Leben. Er zog den schwer Verletzten aus dem Truc-Bach-See. Später wurde McCain Senator in Arizona und schrieb und diskutierte mehrfach über Vietnam und das „Hanoi Hilton“.
Auch Robert Certain wurde mit seinem B-52-Bomber während der Weihnachtsbombardements im Dezember 1972 abgeschossen. 40 Jahre später erzählte er „Voice of Vietnam“ die Geschichte seiner Gefangennahme: „Die Dorfbewohner waren aufgebracht, aber die Milizen schützten mich. Sie brachten mich zu einem Haus. Ein Beamter schrieb Informationen aus meinem Ausweis auf. Die Bewohner draußen waren ruhiger geworden. Die Milizen verdeckten die Fenster mit Tischen, damit ich von draußen nicht mit Steinen beworfen werden konnte. Danach wurde ich mit einer Fähre über den Roten Fluss zum Hoa-Lo-Gefängnis in Hanoi geführt. Ich fürchtete sehr, dass ich gefoltert würde, aber das passierte nicht.“ Er konnte sich nicht vorstellen, dass Gegner sich menschlich gegenüber einem Feind verhalten, der gerade ihr Land bombardiert hatte.
Und heute?
Ja, diese Piloten waren Verführte einer menschenverachtenden Militärmaschine. Aber ist das heute so völlig anders? An dem Abend, an dem ich an diesem Artikel schrieb, lief in der ARD ein Film mit dem Titel „Sauberer Drohnenkrieg“. US-Piloten führen in einer Einsatzzentrale Krieg vor Monitoren. Mit dem Joystick steuern sie ihren Angriff auf Terrorverdächtige im tausende Kilometer entfernten Afghanistan. Schnell, leise und ohne Gefahr für die eigenen Soldaten soll dieser Drohnenkrieg sein. Getroffen werden aber wie in Vietnam viele unschuldige Zivilisten und auch dort wieder Kinder. Nein – es hat sich nichts geändert.