Zur Entwicklung der Grünen von Kelly bis Baerbock

Pflugscharen zu Panzern

Vergangenen Samstag trafen sich vor dem Kanzlerbunker in Berlin einige hundert Menschen zu einer Kundgebung zum Stopp der Kriege des NATO-Wertewestens gegen Russland und Palästina. Wie üblich wurde die Aktion umrahmt von Uniformierten. Während der Kundgebung wies die Sprecherin der Friedenskoordination Berlin darauf hin, dass es seitens der Polizei eine halbstündige Untersuchung gab, ob ein dort zu sehendes Transparent eingezogen werden müsse. Auf ihm war über Bildern prominenter Mitglieder der Partei „Bündnis90/Die Grünen“, allesamt in Oliv gekleidet, zu lesen: „Grüne an die Ostfront!“ Zum Glück, wurde mitgeteilt, hätte die Überprüfung zu dem Beschluss geführt, das Transparent nicht mit Polizeigewalt aus der Kundgebung herauszuholen.

Der Vorfall wirft ein Schlaglicht darauf, wie sehr die politische Meinungsfreiheit in diesem Land bereits eingeschnürt ist. Solch zuspitzende Äußerungen zu verantwortlichen Politikern wären noch vor zehn oder zwanzig Jahren nicht weiter aufgefallen. Inzwischen führen sie zu ernsthaften Überlegungen, sie mit repressiven Mitteln aus dem Spektrum der öffentlichen Meinung zu verbannen.

Zum Zweiten ist die dort gezeigte Losung in doppelter Hinsicht präzise. Sie bringt zum einen die dramatische Wandlung der grünen Partei auf den Punkt. Zwischen Petra Kelly, der Spitzenkandidatin dieser Partei im Jahre 1983, als ihr erstmals in Westdeutschland der Sprung über die Fünfprozenthürde und damit in den deutschen Bundestag gelang, und Annalena Baerbock, der Spitzenkandidatin bei den Wahlen 2021, liegen Welten und ein politischer Frontwechsel. Die Partei war damals fester Teil der bundesweiten Friedensbewegung. In den Mittelpunkt ihrer Wahlkämpfe stellte sie die Forderung „Schwerter zu Pflugscharen!“. Inzwischen ist aus ihr eine Partei geworden, die von allen drei Regierungsparteien am fanatischsten für noch mehr Aufrüstung kämpft.

Und sie ist die Partei, die eisern an dem Kurs festhält, die Landwirte für die Aufrüstung zahlen zu lassen. Der Entzug von Steuerminderungen für landwirtschaftliche Maschinen zugunsten der Waffenlieferungen nach Kiew ist exakt die Umkehr der alten Losung. Weil mit Schwertern keine Kriege mehr zu gewinnen sind, sondern es dazu Panzer und Raketen braucht, lautet vier Jahrzehnte nach ihrem Aufbruch die zentrale Losung dieser Partei nun: „Pflugscharen zu Panzern und Raketen!“

Die Träger dieser Kehrtwende ins offen Militaristische sind Personen, die in ihren politischen Anfängen noch durch die Friedensbewegung geprägt wurden. Sie haben sich durchgängig jedem Dienst an einer Waffe verweigert. Der SPD-Mann Boris Pistorius war bekanntlich der Erste im Kriegskabinett, der selbst seine Wehrpflicht abgeleistet hatte. Umso eifriger haben sich Baerbock, Habeck und Hofreiter inzwischen technisches Wissen aller modernen deutschen Waffensysteme einverleibt. Sie können nun mit Blick auf die Nöte ihres ukrainischen Kanonenfutters immerhin verstehen, warum die von Berlin gelieferten Granaten für Glattrohrgeschütze nicht in solche mit gezogenem Lauf passen. „Grüne an die Ostfront“ – diese Forderung benennt – das ist der zweite Aspekt dieser treffenden Plakatlosung – die Doppelmoral dieser olivgrünen Führungsriege, die andere für den von ihrer eigenen Großvätergeneration aufgesogenen Russenhass krepieren lässt. Sie heizen den Krieg gegen Russland an und flüchten – wie jüngst Frau Baerbock – schon beim Auftauchen einer einzigen Beobachtungsdrohne feige zurück in ihre warmen Regierungssessel.

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"Pflugscharen zu Panzern", UZ vom 1. März 2024



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