Pflege: Bundesweit den Druck verstärken!

Artur Moses im Gespräch mit Michael Quetting, ver.di

Am 12. Mai fanden bundesweit Aktionen zum „Tag der Pflege“ statt. In Saarbrücken-Dudweiler verabschiedeten 80 Team-Delegierte aus saarländischen Krankenhäusern einstimmig eine Resolution „Jetzt kämpfen wir bundesweit“. Enthalten sind die „20 Positionen“, die im April zur Diskussion vorgelegt wurden (die UZ berichtete).

Kämpferische Stimmung herrschte beim Treffen der Team-Delegierten. Zu Beginn standen Statements der ver.di-Bundesfachbereichsleiterin Sylvia Bühler, des ver.di-Verhandlungsführers an der Uniklinik des Saarlandes, Frank Hutmacher, und des ver.di-Sekretärs Michael Quetting auf dem Programm. In 12 Arbeitsgruppen wurde die Vorbereitung einer Aktion „Händedesinfektion“ am 12. September beraten. Zur einer geplanten Aktionskonferenz am 17. Juni in Kassel fahren aus dem Saarland 30 Kolleginnen und Kollegen.

Nach dem Treffen der Vertreterinnen und Vertreter der 22 saarländischen Krankenhäuser stellte die UZ dem zuständigen Gewerkschaftssekretär Michael Quetting zwei Fragen.

UZ: CDU und SPD haben nun einen Koalitionsvertrag im Saarland. Welche Rolle spielt „die Pflege“ darin und wie schätzt du das Ergebnis ein? Man las in der Saarbrücker Zeitung, du würdest den Koalitionsvertrag begrüßen.

Michael Quetting: Die Gro-Ko ist ein Problem. Ein „Weiter so“ in der Politik wird kein Problem lösen. Wenn nicht an der Einnahmeseite etwas verändert wird, dann hat das Saarland keine Zukunft. Wir müssen an die großen Vermögen heran. Die Schuldenbremse ist das falsche Mittel, der Stellenabbau ebenso. Aber ich habe nicht nur auf sozialem Gebiet Sorgen, sondern auch in der Demokratiefrage.

Die Frage zielt ja bewusst auf den Bereich Krankenhäuser. Und da stellen wir fest, was bei aller Kritik auch gesehen werden sollte: Dort, wo es außerparlamentarische Bewegung gab, haben diese Parteien vorsichtiger formuliert, haben bestimmte Forderungen aufgenommen. So sehe ich in der Ankündigung, das Tariftreuegesetz weiter zu entwickeln und bei der Vergabe öffentlicher Aufträge die Einhaltung eines repräsentativen Tarifvertrags zur Bedingung zu machen, eine Reaktion auf die demonstrierenden ÖPNVler in den letzten Monaten. Nichts ist unveränderlich!

Am deutlichsten wird dies im Bereich Krankenhäuser und Pflege. Die CDU-Saar ist jetzt für eine paritätische Finanzierung der Gesetzlichen Krankenkassen. Wenn tatsächlich Anhaltszahlen mit dem neuen Krankenhausplan kommen, dann ist das ein Fortschritt. Wir sind nicht blauäugig, der „Praxistest“ ist entscheidend.

Sie haben es aufgeschrieben, weil das Pflegepersonal energisch gekämpft hat, weil wir zwei Großdemos organisierten, weil wir gestreikt haben und weil wir weiterhin Druck machen werden. Die Investitionen sollen erhöht und ein Krankenhaus-Strukturfonds im Saarland mit 20 Millionen Euro eingerichtet werden, dessen Mittelvergabe sich nach der Einhaltung der Personalvorgaben in den Kliniken richtet. Dies haben wir schon länger gefordert.

Das haben die nicht einfach so reingeschrieben. Die PC-Tastatur haben die Pflegekräfte bespielt und darauf sind wir verdammt stolz, denn das zeigt, wir können noch mehr.

UZ: In den 20 Positionen wird festgestellt, es gebe mehr ver.dianer in Krankenhäusern. Kannst du das ausführlicher darlegen? Was heißt das? Wie sind die Erfahrungen? Wie geht es weiter?

Michael Quetting: Wir haben eine neue Form der Partizipation entwickelt, über 568 Tarifberaterinnen vertreten ihre Teams und Stationen. Delegiertentreffen entscheiden über das weitere Vorgehen. In unserer Kartei stehen 1 430 Aktivistinnen, die vernetzt und koordiniert handeln. Die Pflegekraft selbst hat sich zum Subjekt entwickelt. Unser Organisationsgrad in den Krankenhäusern wurde real um 26 Prozent gesteigert. Heute haben wir aktive Betriebsgruppen bei der Caritas und bei den Marienhauskrankenhäusern. Alles das ist ein gewaltiger Schritt nach vorne.

Trotzdem sind wir von unserem Ziel, einen Tarifvertrag für zumindest elf Krankenhäuser durchzusetzen, noch weit weg. Nach Einschätzung der Delegierten können wir in drei Krankenhäusern unbefristet streiken, das heißt, wir können das Haus und seine OP-Säle völlig stilllegen, in vier Krankenhäusern können wir etwa eine Woche streiken, aktionsbereit sind dann noch drei Häuser. Das reicht noch nicht. Von unserem „Neun-Hürden-Plan“, im Februar 2016 aufgestellt, haben wir acht übersprungen, aber die neunte Hürde ist verdammt hoch, dazu brauchen wir jetzt die Kraft der Kolleginnen und Kollegen der ganzen Bundesrepublik.

Unser Plan geht von dem abgestimmten Druck im tariflichen, betrieblichen und politischen Bereich aus. Dabei gilt es den Bundestagswahlkampf zu nutzen.

Tariflich wollen wir für 20 Krankenhäuser, also einem Prozent der deutschen Krankenhäuser, die Arbeitgeber zu Verhandlungen auffordern. Aus jedem Bundesland ist mindestens ein Haus dabei. Da wir an der Uniklinik des Saarlandes verhandeln und mit den Marienhauskliniken sprechen, schlagen wir aus Friedenspflichtgründen die SHG–Kliniken in Völklingen vor. Dort haben wir einen Organisationsgrad von 31,7 Prozent, verfügen über 155 Aktivistinnen und Aktivisten und 70 TarifberaterInnen, in über 75 Prozent aller Pflegestationen sind TarifberaterInnen bestimmt.

Wir beteiligen uns mit elf weiteren Krankenhäusern in der Gruppe der 80 deutschen Krankenhäuser, die betrieblich Druck entwickeln. Dort wollen wir jetzt systematisch 60 Stationen finden, die sich kollektiv wehren. Genaue Überlegungen haben wir auf dem Team-Delegiertentreffen diskutiert.

Wir verlangen unverzüglich die Festlegung von gesundheitsschützenden Mindestbesetzungen sowie von Maßnahmen bei deren Unterschreitung von den Krankenhäusern, sonst verweigern wir nicht geschuldete Leistungen. Dabei stützen wir uns auf das Arbeitsschutzgesetz und pochen auf die Mitbestimmung. Wir werben für kollektive Teamversprechungen „Wir sind dabei“ und entwickeln kollektive Widerstandsformen bis hin zu Ultimaten. Wir verlangen von unseren Arbeitgebern, in den unterschiedlichen Arbeitsbereichen für alle Schichten Mindestbesetzungen bekannt zu geben. Wir werben dafür, dass kein Betriebsrat, kein Personalrat und keine Mitarbeitervertretung einem Schichtplan zustimmt, der diese arbeitgeberseitige Festsetzung unterschreitet.

Verbindliche Vorgaben für mehr Personal in den Krankenhäusern ist eine politische Aufgabe, die einen Paradigmenwechsel und Systembruch verlangt. Wir akzeptieren nicht länger die Verlagerung des Problems auf uns Beschäftigte und fordern von unseren Arbeitgebern Arbeitsbedingungen, die nicht unsere Gesundheit gefährden. Jetzt kämpfen wir endlich bundesweit. Das hat viel Überzeugungsarbeit gekostet. Damit wird eine neue Qualität in den Auseinandersetzungen erreicht.

Der Kampf ist noch nicht gewonnen. Er wird härter. Solidarität immer dringender. Wir bitten dringend alle fortschrittlichen Kräfte, die „Zuschauertribüne“ zu verlassen und sich in die reale Klassenkampfarena zu begeben. Unser Kampf braucht die Unterstützung großer Teile der Zivilgesellschaft.

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"Pflege: Bundesweit den Druck verstärken!", UZ vom 19. Mai 2017



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