Im vergangenen Jahr forderten 30 000 Hamburger und Hamburgerinnen mit der Volksinitiative des Hamburger Pflegebündnisses mehr Personal in den Krankenhäusern. Der Volksentscheid sah eine Gesetzesänderung vor, die für alle Krankenhäuser Personalschlüssel für jede Schicht in der Pflege, bei Hebammen, therapeutischen Berufen und der Reinigung auf Grundlage des Patientenbedarfs festschreibt.
Doch der Hamburger Senat klagte dagegen, und das Verfassungsgericht schob dieser Möglichkeit, Verbesserungen herbeizuführen, einen Riegel vor. Als Begründung führte es einen fehlenden Zusammenhang von Pflege und Hygiene auf, was in Anbetracht der zahlreichen Opfer von im Krankenhaus erworbenen Infektionen fatale Auswirkungen hat. Weiter sprach das Gericht dem Land Hamburg die Zuständigkeit in Sachen Pflegepersonalregelungen ab. Mit seinem Pflegestärkungsgesetz und der Einführung von Pflegepersonal-Untergrenzen habe der Gesundheitsminister Jens Spahn ausreichende Regelungen getroffen. Ein Schlag ins Gesicht für alle, die tatsächlich eine bessere Versorgung in den Krankenhäusern fordern, und auch für diejenigen, die noch an die Fürsorgepflicht der Regierung den Hamburgern und Hamburgerinnen gegenüber und an das bestehende Rechtssystem glaubten. Denn die Fürsorge hat sich der Hamburger Senat quasi selbst entzogen und das Gericht widerspricht den eigenen Gesetzen, indem es Verbesserungen von Bundesgesetzen auf Landesebene verbietet.
Doch was bewirken nun eigentlich diese neuen Regelungen, die seit diesem Jahr in Kraft sind?
Mit der Einführung der Pflegepersonaluntergrenzen ist auf wenigen Stationen festgeschrieben, wie viel Personal im Durchschnitt da sein muss. Diese Zahl wurde errechnet, indem das am schlechtesten besetzte Viertel der im Pflegenotstand befindlichen Krankenhäuser als neuer Maßstab für die Besetzung der Stationen gesetzt wurde. Für ein Viertel bedeutet das, sie müssen aufstocken, für drei Viertel der Krankenhäuser bedeutet es, sie können abbauen. Vom Bedarf der Patienten ist dabei nicht die Rede.
Bereits jetzt zeigt sich eine weitere Vergrößerung der Personalnot. Pflegekräfte aus ohnehin schlecht besetzten Stationen werden auf Stationen mit Untergrenze abgezogen. An vielen Krankenhäusern lohnt es sich mehr, die Strafkosten auf sich zu nehmen als qualifiziertes Personal einzustellen.
In einigen Hamburger Asklepios-Häusern müssen seit Kurzem Pflegekräfte weitere Aufgaben übernehmen. Der Konzern löst den Service der Häuser auf. Die Aufgabe des Essenverteilens kommt nun auf die Pflegekräfte noch zusätzlich hinzu. Oder aber sie werden als Pflegehelfer wieder eingestellt und können nun durch das neue Pflegestärkungsgesetz vom Staat finanziert werden. Nur eins erreichen die neuen Regelungen nicht: Eine bessere Versorgung der Patienten und gesündere Arbeitsbedingungen für das Personal. Auch wenn die gesetzlichen Veränderungen von manch einem als bahnbrechend gefeiert werden, bleibt die Situation in den Krankenhäusern massiv gefährlich. Immer noch, oder jetzt mehr denn je, werden Krankenhausbeschäftigte aufgrund der untragbaren Arbeitsbedingungen krank, kündigen oder kürzen ihre Arbeitszeit. Und immer noch werden Patienten durch die Profitgier der Krankenhausbetreiber gefährdet.
Das können und wollen die Beschäftigten der Krankenhäuser nicht länger hinnehmen. Und auch Patienten oder solchen, die es mal werden, können ihr Leben nicht länger in die Hände solcher Betreiber und ihrer Verfechter legen, die ein Krankenhaus als rein ökonomisch betriebene Fabrik ansehen. Auch wenn der Senat sich durch das Gericht eine Absolution geholt hat, bleibt er de facto verantwortlich dafür, was in Hamburgs Kliniken passiert.
Im Wahlkampf zur Bürgerschaftswahl 2020 muss sich die SPD positionieren. Es ist ihr in der Regierung immer noch möglich, Bereiche wie die Reinigung oder den Hebammenschlüssel gesetzlich für alle Krankenhäuser zu regeln. Der Senat kann mit einzelnen Krankenhäusern, bei denen er in der Mehrzahl Miteigentümer ist, Vereinbarungen treffen. Und das soll er auch tun. Sein Handeln wird besonders in dieser Zeit zeigen, ob er das Interesse der Konzernbetreiber über das der Hamburger Bevölkerung stellt oder ob er bereit ist,