Waffenstillstand in Syrien – Wunschtraum oder Chance?

Pentagon bastelt am antirussischen Plan B

Von Willi Gerns

In der Nacht vom 26. auf den 27. Februar ist die von Russland und den USA initiierte Waffenruhe in Syrien in Kraft getreten. Sie hat sowohl die Zustimmung der syrischen Regierung wie die der meisten bewaffneten Rebellengruppen gefunden. Von der Übereinkunft ausgenommen sind die von der UNO als Terroristen geächteten Gruppen „Islamischer Staat“ und der syrische Al-Kaida-Ableger Nusra-Front, die weiter bekämpft werden.

Die Einhaltung des Waffenstillstands ist die Bedingung für weitere Friedensgespräche, die am 7. März unter der Regie der UNO in Genf beginnen sollen. Nach ersten Berichten aus Syrien sollen die Waffen zwischen den Seiten, die der Vereinbarung zugestimmt haben, „weitgehend“ schweigen. Das ist ein erster Hoffnungsschimmer, mehr nicht. Angesichts der fragilen Lage im Land ist nicht auszuschließen, dass dann, wenn diese Zeilen die Leser erreichen, die Situation schon wieder eine ganz andere sein kann.

Anlass zur Skepsis müssen bereits die Reaktionen geben, die unmittelbar nach Bekanntwerden der russisch-amerikanischen Initiative von Kräften des Militär-Industrie-Komplexes in den USA zu vernehmen waren. So berichtete die Internetseite regnum.ru, gestützt auf eine Veröffentlichung in „The Wallstreet Journal“, dass der Vorsitzende des Vereinigten Generalstabs der US-Streitkräfte, General Joseph Dunford, Pentagon-Chef Ashton Carter und CIA-Direktor John Brennan sicher seien, dass der Waffenstillstand in Syrien platzen und der Schuldige daran Russland sein werde. In diesem Fall, für den die Herren offenbar schon kräftig die Strippen ziehen, fordern sie eine noch stärkere Unterstützung der „gemäßigten“ bewaffneten Anti-Assad-Gruppierungen in Syrien durch die USA und zusätzliche Sanktionen gegen Russland.

Nach den negativen Erfahrungen, die Moskau in den letzten Jahren mit den USA und deren Verbündeten machen musste, finden sich aber auch in Russland neben Hoffnungen auf eine friedliche Regulierung des bewaffneten Konflikts in Syrien durchaus skeptische Töne. Das gilt u. a. für die Netz-Zeitung „Swobodnaja Pressa“. Sie veröffentlichte unmittelbar nach Bekanntwerden der Vereinbarung zwischen Russland und den USA einen Beitrag unter der Überschrift: „Den russischen Luftstreitkräften werden die Hände gebunden – Womit wird die zeitweilige Feuereinstellung in Syrien enden?“ Darin wird auch der Politiker Wjatscheslaw Tetjokin nach seiner Meinung zum Waffenstillstand befragt. Tetjokin ist ein enger Berater des Vorsitzenden der Kommunistischen Partei der Russischen Föderation (KPRF), Gennadi Sjuganow, Duma-Abgeordneter seiner Partei und Mitglied des Verteidigungsausschusses der Duma.

Kritisch sieht Tetjokin u. a. den Umstand, dass der Waffenstillstand in eine Situation fällt, da die Regierungstruppen mit russischer Luftunterstützung im Vormarsch waren und zahlreiche Ortschaften von den Terroristen befreit werden konnten. Dabei sollte jedoch bedacht werden, dass es ohne diese Erfolge sicher überhaupt keine Chance für eine Waffenruhe gegeben hätte. Weder die USA noch die Assad-Gegner wären dazu bereit gewesen. Die erfolgreiche Offensive war vielmehr die Voraussetzung für ein Schweigen der Waffen, das die Menschen in diesem geschundenen Land unbedingt brauchen. Ein Waffenstillstand ist zugleich Vorbedingung für die Gespräche zu einer friedlichen Lösung des Syrienkonflikts.

Neben weiteren Aspekten geht Tetjotkin auch auf die sicher schnell in den Fokus rückende Frage ein, wie real es unter den gegebenen Bedingungen einer Aufsplitterung der Assad-Gegner in eine Vielzahl von Gruppierungen und ihres ständigen Übergangs von der einen in die andere sein wird, einen Waffenstillstand zu kontrollieren. Er betont: „Die Kon­trolle darüber, wer real das Waffenstillstandsregime verletzt, ist in Syrien äußerst schwierig. Dort gibt es keine einheitliche Frontlinie, der Krieg hat den Charakter eines Bewegungskrieges. Es gibt einzelne gefestigte Positionen um die Städte herum, doch Zusammenstöße und Kämpfe gibt es überall, sogar auf den Territorien, die als tiefes Hinterland angesehen werden. Selbst in ‚Neurussland’ (gemeint ist der Donbass, W. G.), wo es im Großen und Ganzen eine definierte Frontlinie gibt und klar ist, wer mit wem kämpft, sind Hunderte OSZE-Beobachter nicht in der Lage, den Prozess vollständig zu kontrollieren. Und das ist im Zentrum Europas. Wie soll das dann in Syrien klappen?“

Tetjotkin geht nach den Erfahrungen im Donbass davon aus, dass die syrische Opposition, sobald sie sich von den russischen Bombardements einigermaßen erholt hat, damit beginnen wird, die Regierungstruppen zu provozieren, und danach Assad zu beschuldigen, dass er den Waffenstillstand gebrochen habe.

Insgesamt dürfte die Situation in Syrien noch schwerer zu kontrollieren und zu einer Lösung zu führen sein als im Donbass. Dazu gehört nicht zuletzt, dass in Syrien hinter den in bewaffneter Konfrontation gegeneinander stehenden Kräften nicht nur die USA und ihre Verbündeten sowie Russland stehen. Dieses Land ist zugleich Schauplatz eines erbitterten Kampfes der Türkei, Saudi-Arabiens und des Iran um die Vorherrschaft in der Region. Obendrein ist auch noch Israel mit im Spiel. Das bedeutet, dass in Syrien einem stabilen Waffenstillstand und einer friedlichen Lösung des Konflikts noch unvergleichlich mehr Fallstricke im Wege liegen als im Donbass.

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"Pentagon bastelt am antirussischen Plan B", UZ vom 4. März 2016



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