„Pazifische Wende“ zum Krieg?

Die Situation um Taiwan spitzt sich zu. Die Luftwaffe der chinesischen Volksbefreiungsarmee (PLAAF) flog in den letzten Tagen über 50 Einsätze, auch in die Luftraumüberwachungszone Taiwans. Neben Kampfflugzeugen waren auch Bomber und Aufklärungsflugzeuge beteiligt. Die Volksrepublik macht sehr deutlich, dass sie die Insel als nationales Territorium betrachtet und keinen Versuch tolerieren wird, die nationale Einheit Chinas in Frage zu stellen.

Seit der Annäherung der USA und Chinas in den 1970er Jahren war die Ein-China-Position vom US-Imperium und seinen Verbündeten immer respektiert worden. Aber seit der „pazifischen Wende“ 2011 ist diese Position ins Wanken geraten. Joseph Biden hatte Xi Jinping vor kurzem zwar ausdrücklich versichert, die Ein-China-Politik habe Bestand. Doch die Fakten sehen anders aus: Besuche von hochrangigen US-Vertretern in Taipeh, massive Aufrüstung der taiwanesischen Armee, US-Kriegsschiffe in der Straße von Taiwan, Versuche, die ökonomischen und kulturellen Vertretungen Taipehs in den USA zu offiziellen Botschaften hochzustufen, sind nur einige Beispiele.

Die Drohkulisse des „Werte-Westens“ ist beachtlich. Allein fünf Flugzeugträger sind aufgefahren. Die „Ronald Reagan“, die „Carl Vinson“, die britische „Queen Elizabeth“, die japanische „Ise“. Zusammen mit der „America“, einem leichteren Träger, der auch als amphibische Angriffsplattform dient, und den dazugehörigen U-Booten, Kreuzern, Fregatten und Korvetten hat die Kriegskoalition eine der größten Flottenkonzen­trationen der letzten Jahrzehnte vor den Küsten der Volksrepublik zusammengezogen. Immer dabei: Frau Kramp-Karrenbauer und die Bundeswehr.

Sogar Henry Kissinger hatte vor einem Krieg mit China gewarnt: „Die Welt würde in eine Katastrophe, vergleichbar mit dem Ersten Weltkrieg, schlittern.“ Aber die Verantwortlichen in Washington, London, Tokio, Brüssel und Berlin scheinen nicht zu begreifen, wie ernst es Peking ist. Peking hat unmissverständlich klargemacht, dass China alle Eskalationsstufen mitgehen wird. Was wird sein, wenn die Volksbefreiungsarmee den ersten Flugzeugträger versenkt hat? In der Lage dazu ist sie. Kommen dann die Atombomben? Der „Werte-Westen“ muss sich fragen: Sind es die kriegsgeilen Separatisten auf Taiwan wirklich wert, das Leben von Millionen aufs Spiel zu setzen?

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Kritischer Journalismus braucht allerdings Unterstützung, um dauerhaft existieren zu können. Daher freuen wir uns, wenn Sie sich für ein Abonnement der UZ (als gedruckte Wochenzeitung und/oder in digitaler Vollversion) entscheiden. Sie können die UZ vorher 6 Wochen lang kostenlos und unverbindlich testen.

✘ Leserbrief schreiben

An die UZ-Redaktion (leserbriefe (at) unsere-zeit.de)

"„Pazifische Wende“ zum Krieg?", UZ vom 8. Oktober 2021



    Bitte beweise, dass du kein Spambot bist und wähle das Symbol Flagge.



    UZ Probe-Abo [6 Wochen Gratis]
    Unsere Zeit