Beschäftigte machen Druck auf Amazon – in Deutschland, Italien und den USA

Pausenlos Profit

2000 Beschäftigte der Amazon-Verteilzentren folgten dem ver.di-Aufruf zu einem viertägigen Streik über Ostern. In Rheinberg, Werne, Koblenz, Leipzig und an den zwei Standorten in Bad Hersfeld wurde die Arbeit niedergelegt. Die Kolleginnen und Kollegen guckten dabei mit einem Auge nach Italien, wo Amazon bereits vor zweieinhalb Wochen landesweit bestreikt wurde, und mit dem anderen nach Alabama. Dort fand eine Abstimmung über die gewerkschaftliche Organisierung am Standort Bessemer statt.

Nach Angaben der Gewerkschaften CGIL, CISL und UIL beteiligten sich in Italien „im Schnitt 75 Prozent, in einigen Gebieten 90 Prozent“ der Belegschaften. Der Online-Händler beschäftigt in dem Land bis zu 40.000 Menschen, darunter Auslieferfahrerinnen und -fahrer, die häufig als Scheinselbstständige für den Konzern arbeiten. „Die Beschäftigten sind erschöpft“, hieß es von den Gewerkschaften. Sie müssen die enorme Zunahme des Warenaufkommens in der Pandemie bewältigen. Ein Fahrer müsse täglich bis zu 200 Pakete ausliefern.

In Bessemer im US-Bundesstaat Alabama haben die Beschäftigten zum ersten Mal die Chance, eine gewerkschaftliche Vertretung in einem Amazon-Logistikzentrum zu gründen. Bisher gibt es bei dem Monopolisten mit 800.000 Mitarbeitern in den USA an keinem einzigen Standort eine Interessenvertretung der Beschäftigten.

Amazon will, dass das auch so bleibt, und zieht alle Register. So berichtet die „Süddeutsche Zeitung“, dass über Fake-Accounts in den sozialen Medien versucht wurde, Kritik an den Arbeitsbedingungen zu kontern. In letzter Zeit seien einige angebliche Amazon-Beschäftigte mit ihren Posts vor allem dadurch aufgefallen, dass sie berichteten, wie ausgiebig sie die vielen Möglichkeiten nutzten, um während der Arbeit zur Toilette zu gehen. Der Konzern versuche offenbar mit Fake-Accounts davon abzulenken, dass Beschäftigte in den Warenlagern und auch Fahrerinnen und Fahrer berichteten, dass es ihnen nicht möglich sei, während der Arbeitszeit eine Toilette aufzusuchen. Deshalb seien sie gezwungen, auf Urinflaschen zurückzugreifen.

Amazon hatte zunächst auf dem offiziellen Firmen-Account und in einem scharfem Ton bei Twitter darauf mit den Worten reagiert: „Sie glauben nicht wirklich die Sache mit dem Pinkeln in Flaschen? (…) Wenn das wahr wäre, würde niemand für uns arbeiten.“ Beschäftigte antworteten, indem sie Fotos mit gefüllten Urinflaschen posteten. Auch Journalistinnen und Journalisten teilten Fotos, die sie aus Recherchen zu den Arbeitsbedingungen bei dem Online-Händler als Beweisstücke gesichert hatten. Das US-Portal „Buzzfeed“ veröffentlichte sogar Dienstanweisungen einer für Amazon tätigen Lieferfirma, in denen Fahrerinnen und Fahrer aufgefordert wurden, ihre Urinflaschen nach Schichtende nicht im Lieferwagen liegen zu lassen. Karfreitag kroch Amazon dann zu Kreuze: „Wir wissen bislang noch nicht wie, aber wir werden nach Lösungen suchen“, hieß es und verwies darauf, dass es sich zumindest bei den Fahrerinnen und Fahrern um ein branchenweites Problem handele, das sich durch die Schließung öffentlicher Toiletten in der Corona-Krise verschärft habe.

Amazon gewerkschaftsfrei zu halten ist Teil des immensen Kräfteungleichgewichts, das dazu dient, den Druck auf die Belegschaften ständig zu erhöhen und das Maximale aus ihnen rauszuholen. Die 5.800 Beschäftigten in Bessemer haben bereits abgestimmt, das Ergebnis lag zu Redaktionsschluss noch nicht vor. Ihr Votum könnte ein erster Schritt sein, Amazon-Chef Jeff Bezos und seine Freiheit, die „Gewerkschaftsfreiheit“ bisher einschließt, nachhaltig einzuschränken. Es wäre dringend notwendig, ihm damit auch die Verfügungsgewalt über den Toilettengang seiner Beschäftigten zu entziehen.

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"Pausenlos Profit", UZ vom 9. April 2021



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