Bemühungen, Grundgesetzänderungen noch in dieser Legislaturperiode durch zu setzen, werden von den Mehrheitsfraktionen im Bundestag anscheinend als probates Mittel angesehen, um noch ein paar Pflöcke vor dem Herbst ein zu rammen. Neben dem umfangreichen Paket zur Neuregelung der Bund-Länder-Beziehungen ( Finanzausgleich, Übertragung der Bundesfernstraßen an den Bund, direkter Einfluss des Bundes auf kommunale Politik durch ÖPP) gibt es einen weiteren Gesetzentwurf von CDU/CSU und SPD.
Diesmal ist Artikel 21 GG im Visier, der die Mitwirkung der Parteien an der politischen Willensbildung beschreibt. Man will neue Absätze in diesen Artikel einfügen, um sich einen weiten Spielraum bei der Beurteilung „verfassungskonforme oder verfassungswidrige Parteien“ zu ermöglichen.
Hintergrund ist das seltsame Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Januar 2017, mit dem die Feststellung der Verfassungswidrigkeit der NPD zurückgewiesen und kein Parteiverbot ausgesprochen wurde. In der Begründung heißt es „Im Ergebnis ist die Partei (NPD) somit nur wegen ihres eigenen politischen Misserfolges und der derzeit geringen politischen Einflussmöglichkeiten nicht verboten worden“. Im KPD-Verbotsurteil von 1956 wurde dieses Argument genau in umgekehrter Weise genutzt, um die KPD zu verbieten.
Eine Steilvorlage gab das BverFG den herrschenden Parteien mit einem Hinweis in seiner umfangreichen Urteilsbegründung: Es stehe dem Gesetzgeber frei, neben dem Parteiverbot weitere, abgestufte Sanktionsmöglichkeiten gegenüber Parteien zu schaffen. Dazu zähle besonders der Ausschluss von der staatlichen Parteienfinanzierung (Wahlkampfkostenerstattung u.ä.) wie auch die steuerlichen Privilegien für die Parteien und für Zuwendungen an diese Parteien entfallen zu lassen.
Genau darauf zielt der aktuelle Gesetzentwurf der Regierungsparteien, der nach erster Lesung nun im Innenausschuss am 29. Mai beraten und dann noch vor der parlamentarischen Sommerpause im Juli im Bundestag sicherlich mit der vorhandenen 2/3 Mehrheit abgestimmt werden wird. In dem Text zur Änderung/Ergänzung und der Begründung für Artikel 21 GG ist nicht mehr die Rede von der NPD, sondern ganz allgemein wird die dafür immer gerne herbei formulierte „freiheitlich demokratische Grundordnung“ genutzt, um Sanktionsmöglichkeiten zu erhalten. Dafür reicht es aus, dass die beschuldigte Partei diese FDGO beeinträchtigt oder sogar beseitigen will oder den Bestand der BRD zu gefährden imstande sei. Natürlich soll das Bundesverfassungsgericht auf Antrag entscheiden, aber aus der Urteilsbegründung zum NPD-Urteil geht hervor, dass sich das Gericht einer solch schwammigen, durch das Grundgesetz überhaupt nicht gedeckten Begründung nicht verschließen würde und das schwerwiegende Parteiverbot elegant auf einer etwas niedrigeren Stufe umgeht und dennoch die politischen Möglichkeiten der betroffenen Partei massiv einschränkt.
Man konnte schon beim gesamten Vorlauf und der Verhandlung gegen die NPD sich des Eindrucks nicht erwehren, dass dieses Verfahren nicht vom Willen getragen war, diese offen rassistisch und faschistisch auftretende Partei zu verbieten, sondern ein höchstrichterliches Urteil zu erhalten, mit dem es möglich wird, gegen solche Parteien ein Schwert in die Hand zu bekommen, die eine Gefahr für die Herrschenden darstellen oder in Zukunft darstellen könnten.