Analyse des Hugo-Sinzheimer-Instituts: Wie steht die AfD zum Arbeitsrecht?

Partei des kollektiven Bettelns

Die Wahlergebnisse der AfD zeigen, dass ein nicht unerheblicher Teil der Arbeiterinnen und Arbeiter in der AfD eine Alternative sehen. Auch wenn das Hauptmotiv darin besteht, den etablierten Parteien ihre Unzufriedenheit zu zeigen, ist es der AfD mit ihrer Demagogie gelungen, den Eindruck zu erwecken, dass sie eine Partei der kleinen Leute sei.

Wahlanalysen zeigen einen dramatischen Trend: Der Stimmenanteil für die AfD liegt bei Gewerkschaftsmitgliedern teilweise leicht über dem Durchschnitt. Tino Chrupalla, Ko-Chef der AfD, verstieg sich vor einiger Zeit sogar zu der Aussage, die AfD vertrete „die Inte­ressen der deutschen Arbeiter besser als die IG Metall“. Nach den Wahlerfolgen der AfD lassen sich immer mehr Schlussfolgerungen aus den Analysen der AfD-Programmatik ziehen. Lücken ergeben sich allerdings dort, wo die Aussagen der AfD-Programmatik oberflächlich bleiben, wie etwa im Bereich des kollektiven Arbeitsrechts. Eine Analyse des Hugo-Sinzheimer-Instituts für Arbeits- und Sozialrecht (HSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung, die Ende letzten Jahres erschienen ist, schließt diese Lücke. In Ermangelung konkreter Aussagen im AfD-Grundsatzprogramm oder in den Wahlprogrammen der AfD stützt sich die HSI-Studie „Die AfD und das kollektive Arbeitsrecht“ auf Dokumente wie Pressemitteilungen, Artikel und Aufsätze der AfD, Dokumente des Deutschen Bundestages (Reden, Anträge, Anfragen) sowie auf Beiträge und schriftlichen Stellungnahmen von AfD-Funktionären und -Abgeordneten in Versammlungen und Social Media. Sie bestätigt eine zutiefst arbeiter- und gewerkschaftsfeindliche Einstellung und zeigt auf, wie sehr die Partei die Inte­ressen der Wirtschaftseliten vertritt.

Die Positionen der AfD lassen sich laut HSI-Studie auf den Grundtenor zusammenfassen, dass kollektives Arbeitsrecht dem wirtschaftlichen Erfolg unterzuordnen ist. Gute Arbeits- und Lebensbedingungen für die Beschäftigten sind dem Wohlergehen des Unternehmen untergeordnet. Die Politik der AfD ist also eine Politik zugunsten des Kapitals.

Dass die Wirtschafts- und Sozialpolitik der AfD auf neo- beziehungsweise ordoliberalen Vorstellungen beruht, ist durch mehrere Studien belegt. Diese Ideologie macht sich auch in der Haltung zum kollektiven Arbeitsrecht bemerkbar. Zwar bekennt sich AfD in ihrem Programm zur letzten Bundestagswahl zur „Mitwirkung und Mitbestimmung in den Betrieben“, aber nur, solange sie dem Betrieb und dem „Wirtschaftsstandort Deutschland“ nicht im Wege stehen. Eine Ausweitung würde ihrer Ansicht nach nur dazu dienen, die Betriebe zu spalten und den Klassenkampf zu schüren. Die AfD vertritt dagegen die Auffassung, dass Unternehmer und Beschäftigte „kooperieren“ sollen, „um betriebliche Ziele zu erreichen.“

Wo sich die AfD für eine Stärkung der Betriebsräte ausspricht, muss man genau hinschauen. Denn Betriebsräte sollen als „Gesprächspartner“ für einen reibungslosen Betriebsablauf sorgen. Den Einfluss der DGB-Gewerkschaften auf die Betriebsräte will die Partei zurückdrängen, zum Beispiel durch „Erleichterungen“ für die Kandidatur von betrieblichen Gruppierungen bei Betriebsratswahlen. In diesem Zusammenhang werden rechte Gruppierungen wie beispielsweise das „Zentrum“ genannt. Während der politisierende Einfluss der DGB-Gewerkschaften störe, müsse der Einfluss dieser rechten Gruppen gefördert werden.

Dieses Verständnis einer „Stärkung“ der Betriebsräte setzt sich in der Tarifpolitik fort. Auch hier folgt auf das Bekenntnis zur Tarifautonomie eine Konkretisierung, die die Tarifautonomie in ihr Gegenteil verkehrt. Nach Ansicht der AfD sind die DGB-Gewerkschaften schuld an der schwindenden Tarifbindung. Die Lösung sieht die Partei in einer Verbetrieblichung der Tarifpolitik: Betriebsräte sollen verstärkt Tarifverträge verhandeln, allerdings ohne dass ihre Verhandlungsposition gestärkt wird – Betriebsräte dürfen laut Betriebsverfassungsgesetz nicht zum Streik aufrufen.

Folgerichtig will die AfD das Streikrecht einschränken. Es soll mit „zusätzlichen Ordnungsfaktoren“ versehen werden, und Streiks sollen erst nach verpflichtenden Schlichtungsmaßnahmen zulässig sein.

Zusammengefasst weisen die AfD-Vorstellungen den Weg in die kollektive Bettelei gegenüber dem Kapital. Die HSI-Studie „Die AfD und das kollektive Arbeitsrecht“ ist ein lesenswertes Dokument, das klar aufzeigt, dass die Fragen zu diesem Thema von der AfD aus der Perspektive des Kapitals beantwortet werden.

Die Studie „Die AfD und das kollektive Arbeitsrecht“ des Hugo-Sinzheimer-Instituts für Arbeitsrecht ist online abrufbar.

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"Partei des kollektiven Bettelns", UZ vom 31. Januar 2025



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