Kommandos des „Islamischen Staats“ haben in Paris über 130 Menschen ermordet. Die „Begründung“ des IS: Paris sei Zentrum der Immoral und Perversion. Eine solch verrückte Begründung meint wohl, dass eine äußerst exakt durchgeführte militärische Aktion in Paris für sich spricht. Das ist Wahnsinn mit Methode.
Die Täter, junge Franzosen und Belgier, erweisen sich so als Abbilder ihrer Gesellschaften.
Es ist keine „von außen“ hereinbrechende Barbarei ins Reich der Zivilisation, die sich hier austobt. Georg Lukács hat 1954 in „Die Zerstörung der Vernunft“ gezeigt, dass Irrationalismus nicht ein philosophiegeschichtlicher Irrweg, sondern die adäquate Verfasstheit von Alltagsbewusstsein und Ideologie der imperialistischen Gesellschaft ist. Die Attentäter von Paris unterscheiden sich nur in der Größenordnung ihrer Verbrechen von den Verantwortlichen für Hunger bei gleichzeitigem Überfluss, Rassismus, Krieg, Klimakatastrophe.
Die imperialistische Gesellschaft ist nicht Hort der Zivilisation. Sie gebiert die Barbarei aus sich selbst. Noch die Attentäter, die sich vermeintlich gegen sie wenden, sind ihre Ausgeburten. Die irrationale Logik der Warenproduktion in ihrem höchsten und letzten Entwicklungsstadium ist die allgegenwärtige, fast alles durchdringende Signatur ihres gesellschaftlichen Bewusstseins.
Nur die Abschaffung von Imperialismus und Kapitalismus kann das ändern. Sie wird nicht von selber kommen. Anders als die Staaten des implodierenden Sozialismus wird der Imperialismus versuchen, seinen Untergang mit dem der Menschheit zu verbinden. Die drohenden Vorboten kann man auch in Paris deutlich sehen. Die Strukturen des Todes müssen von all denen gemeinsam und entschlossen gebrochen werden, die unter ihnen leiden, von den Verdammten dieser Erde. Von denen die Unten leiden, gegen die, die Oben herrschen. Rosa Luxemburgs Alternative, vor hundert Jahren für Europa ausgesprochen, gilt heute weltweit: Sozialismus oder Barbarei.
Hans Christoph Stoodt, evangelischer Theologe und Berufsschullehrer,
ist Sprecher der Anti-Nazi-Koordination in Frankfurt am Main