Nach langen Verhandlungen und intensivem Störfeuer von Rechtsaußen kam es im vergangenen August schließlich zum Friedensvertrag zwischen FARC und dem kolumbianischen Staat. Dabei ging die FARC davon aus, dass dieser Frieden nicht nur das Schweigen der Waffen bedeutet, sondern auch eine weit reichende Veränderung der Gesellschaft braucht. Bereits 2012 wurde unter sehr breiter Beteiligung einschließlich der Kolumbianischen KP die politisch-soziale Organisation Marcha Patriótica gegründet, die ihren Anteil an der Vorbereitung des politischen Klimas für den Friedensschluss hat.
Marcha Patriótica veröffentlichte nun einen Bericht über Menschenrechtsverletzungen in den ersten fünf Monaten nach Wirksamkeit des Friedensabkommens. Er legt dar, dass die Täter ganz überwiegend unter den Paramilitärs zu finden sind, die es in der Vergangenheit gewöhnt waren, vom Staat stillschweigend geduldet zu werden oder sogar als dessen verlängerter Arm vorzugehen. Im Katalog der registrierten Verstöße finden sich u. a. gewaltsame Vertreibungen, Zwangsrekrutierung, Körperverletzung und 51 Morde – etwa ein Mord alle drei Tage.
Dass Zusagen der Bourgeoisie nur verlässlich sind, wenn diese zu ihrer Einhaltung gezwungen werden kann, ist eine Erfahrung, die fortschrittliche Kräfte vielerorts machen mussten. Zuweilen kostete sie viele Opfer. Dies war auch in den 1980er-Jahren in Kolumbien der Fall. Seinerzeit hatte die Guerilla FARC bereits Vorstöße unternommen, um den langwierigen Konflikt im Land friedlich beizulegen. Eine neu gegründete Partei, die Unión Patriótica schrieb sich ab 1985 die Durchsetzung sozialer Rechte für Arbeiterklasse und Kleinbauern auf ihre Fahnen. In einer unheiligen Allianz ermordeten Staatsorgane, Paramilitärs und Drogenkartelle in nur drei Jahren zwischen 3 000 und 5 000 ihrer Aktivistinnen und Aktivisten. Da brauchte es kein formales Verbot mehr, um die legale politische Arbeit lahmzulegen. Der bewaffnete Kampf wurde fortgesetzt.
Dem Bericht von Marcha Patriótica zufolge besteht auch heute die enge Verbindung zwischen Paramilitärs, etablierter Politik, Großgrundbesitzern und den Nutznießern der politischen und gesellschaftlichen Gewalt in Kolumbien fort. Die Repressionsstrategie des Staatsapparats habe sich nicht verändert. Er setze sogar zunehmend Waffengewalt ein, um die Interessen der herrschenden Elite durchzusetzen, und gehe weiter mit Militär- und Justizterror gegen die Schwächsten der Gesellschaft vor.
Um den Friedensprozess zu sichern und der kolumbianischen Gesellschaft den demokratischen Wandel zu ermöglichen, nennt der Bericht einige erforderliche Maßnahmen. Formal ist die Finanzierung paramilitärischer Gruppen bereits als Verbrechen gegen die Menschlichkeit eingestuft, wie unlängst die Generalstaatsanwaltschaft des Landes bekräftigte. Nun müssen Behörden, Militär, Entscheidungsorgane und Gesetzgebung von Elementen gereinigt werden, die den Paramilitarismus unterstützen. Die Geheimdienstarchive müssen geöffnet werden, benennt der Bericht als Notwendigkeit. Es müsse ein politischer Konsens und gemeinsames Vorgehen der kolumbianischen Gesellschaft, der Wirtschaftsorganisationen, Parteien, Intellektuellen, der gesellschaftlichen und Basisbewegungen wie des Militärs geben, damit die schweren Menschenrechtsverletzungen sich nicht wiederholten.
Mit dem Friedensabkommen wurde die Gründung einer Garantie- und Sicherheitskommission vereinbart. Ihr Ziel ist die Unterbindung jeglicher Organisationen und Praktiken, welche die Umsetzung des Abkommens und den Frieden bedrohen. Dies schließt ausdrücklich kriminelle Organisationen – die als Nachfolgeorganisation der Paramilitärs benannt werden – und ihre Netzwerke ein. Die Gründung der Kommission erfolgte per Dekret erst im Februar. Der Bericht bemängelt, dass sie noch nicht arbeite und im Gegenteil Verbrechen und systematische Verfolgung gegen gesellschaftliche Organisationen exponentiell zunehme. Schließlich führt er die weitere internationale Begleitung des Friedensprozesses als wichtigen Bestandteil an, um die Umsetzung zu sichern. Dabei wird nicht nur die fundamentale Rolle der UNO betont, sondern auch die der ausländischen solidarischen Organisationen.