Panzerparaden und Militärpicknicks

ICP: US-Soldaten werden nicht nur in Polen, sondern von den baltischen Staaten bis Ungarn stationiert. Unter Einbeziehung der bereits bestehenden Militärbasen werden die russischen Grenzen offenbar in einem Halbkreis bis zum Mittelmeer eingekreist. Putin beschrieb dies als bedrohlich für die Sicherheit. Wie schätzen Sie die Situation hinsichtlich der Auseinandersetzungen zwischen den imperialistischen Zentren ein?

KPP: In den vergangenen Jahren konnten wir die weltweite Ausdehnung der NATO, besonders in Mittel- und Osteuropa, beobachten. Im Gegensatz zu den Zusagen der USA von 1990, ihre Streitkräfte nicht weiter nach Osten zu verlagern, versucht die NATO, Russland einzukreisen. Der Bogen, der den „strategischen Feind“ Russische Föderation umgibt, erstreckt sich in Europa vom Baltikum bis Bulgarien. In all diesen Ländern nimmt die US-Militärpräsenz zu. Jens Stoltenberg, der Generalsekretär der NATO, spricht offen davon, dass die „Frontlinie“ nach vorne verlagert werden soll. Die US-Regierung versucht einen von Zbigniew Brzezinski beschriebenen Plan umzusetzen, Russland zu isolieren, zu marginalisieren und sogar zu teilen.

Die NATO drängt Staaten zur Modernisierung ihrer Armeen. Die Regierungen nutzen diese Situation, um ihre Bevölkerung auf Kurs zu bringen und die Opposition zu zerstören. Es ist keine Überraschung, dass alle größeren politischen Kräfte in Polen einen Konsens hinsichtlich Militärausgaben und US-Basen geschlossen haben. Polen hat entschieden, seinen Militärhaushalt gemäß den Anforderungen der NATO auf über 2 Prozent des BIP zu erhöhen. Es modernisiert seine Streitkräfte – nicht für Verteidigungszwecke, sondern zwecks Teilnahme an imperialistischen Aggressionen. Hauptsächlich US-basierte, große internationale Militärunternehmen streben nach weiteren Verträgen in der Region. Die in Europa geschaffene so genannte „Schnelle Eingreiftruppe“, die in 48 Stunden in verschiedenen Gegenden intervenieren kann, ist Teil dieses Plans.

Militärische Spannungen und Muskelspiele sind eng verknüpft mit den imperialistischen Streitereien zwischen russischen Unternehmen, ihren europäischen Partnern und großen multinationalen Unternehmen. Der Kampf zwischen imperialistischen Zentren ist ein Kampf um Märkte und Zugang zu natürlichen Ressourcen, v. a. Öl und Gas. Ein Teil davon sind die Rivalität bei Fernleitungen vom Südkaukasus und Mittelasien nach Europa sowie das Streben, Russland als Transitland von der kaspischen Region auszuschalten.

ICP: Die US-Regierung begründet militärische Schritte mit der russischen Intervention in der Ukraine. Was heute in der Ukraine zu sehen ist, ist eine kriegerische Situation von entscheidender Bedeutung bezüglich des Kräftegleichgewichts, in der Neonazismus und christlich-religiöse Reaktion sich weit ausbreiten. Welche Rolle haben die Reaktionäre für NATO-Milizen in Polen?

KPP: Die Ukraine zeigt beispielhaft, wie sich die USA und die EU in die inneren Angelegenheiten eines Landes einmischen. Der Sturz der ukrainischen Regierung vor drei Jahren zielte darauf, die imperialistische Einflusszone ostwärts zu verschieben und neue Märkte für westliche Monopole zu schaffen. Washington und Brüssel haben Bewegungen finanziert, welche die Situation in Kiew destabilisiert und den faktischen Staatsstreich ausgeführt haben. Über Einrichtungen wie USAID, National Endowment for Democracy, das Internationale Republikanische Institut und die Soros-Stiftungen wurden politische Marionetten der Imperialisten ausgestattet. Der gegenwärtige Krieg im Donbass ist für Militärunternehmen sehr profitträchtig. Trotz der Verletzungen des Minsker Friedensabkommens durch die ukrainische Regierung und der dortigen demokratischen Mängel unterstützt die NATO das Kiewer Regierungsbündnis aus Neoliberalen und Neofaschisten. Dieser Krieg ist ein Element, um Spannungen und Konfrontationen zwischen Atommächten zu schüren, die in einen umfassenden zerstörerischen Krieg münden können.

Die Situation in der Ukraine wird außerdem grob entstellt vermittelt und als Rechtfertigung für die Militärdoktrin der NATO verwendet. In Polen dient sie auch als eine Begründung zur Schaffung der „Territorialverteidigungsarmee“, einer Freiwilligenarmee, die vorwiegend aus rechten Paramilitärs bestehen wird. Sie ist vom militärischen Standpunkt untauglich, kann aber ein wichtiger Faktor bei inneren Unruhen sein. Polen könnte das ukrainische Modell nachahmen, in dem Reaktionäre eine wichtige Unterstützung für die Regierung darstellen, während fortschrittliche, kommunistische Kräfte der Verfolgung ausgesetzt sind.

ICP: Es gab Erwartungen an die Wahl des US-Präsidenten, dass die Spannungen der globalen politischen Atmosphäre gemildert würden. Beispielsweise wird Trump geradezu eine Erlöserrolle hinsichtlich der Gestaltung der Beziehungen zwischen NATO und Russland zugesprochen. Welchen Weg wird nach Ihrer Einschätzung die NATO in Europa während Trumps Präsidentschaft nehmen?

KPP: Wir teilen keine Illusionen über die US-Politik nach Trumps Amtsantritt. Wir sollten uns erinnern, dass die mächtigen Lobbyisten der Konzerne und des Militärkomplexes, die in Washington einflussreich sind, sich einen Rückzug aus Europa nicht leisten können. Sie haben die vorherige Propaganda über eine russische „Aggression“ gegen die Ukraine bekräftigt. In der UNO haben Vertreter der US-Regierung angekündigt, dass die Sanktionen gegen Russland nicht aufgehoben werden können, wenn die Russische Föderation nicht die Krim aufgibt.

Der Militärkomplex gewinnt an Einfluss und Mitteln. Trump hat bereits unter dem Slogan „Macht das US-Militär wieder stark“ eine Steigerung der Militärausgaben in 2017 angekündigt. Er plant neue Kriegsschiffe für die Expeditionskräfte der US-Navy zu ordern. Wir mögen Zeugen einer Veränderung der politischen Sprache werden, doch der imperialistische Wettbewerb wird sich fortsetzen. Die USA und Russland haben weiterhin widersprüchliche Interessen im Nahen Osten und Osteuropa. Trump möchte gute Beziehungen mit Großbritannien aufrechterhalten, dessen imperialistische Ambitionen ungebrochen sind und das seine militärische Kraft weiter ausbaut. Der US-Präsident hat auch der saudischen Monarchie Zusammenarbeit in der Syrienpolitik zugesichert. Das heißt zumindest, die reaktionären, Syrien destabilisierenden Kräfte gewähren zu lassen. Er hat bereits Einsätze der US-Spezialkräfte im Nahen Osten genehmigt, und es ist unwahrscheinlich, dass er bei den Drohnenangriffen etwas ändern wird, die viele zivile Todesopfer verursachen.

ICP: In den letzten Dezembertagen behauptete der US-Senator John McCain in einer Rede in der estnischen Hauptstadt Tallinn, die Militärpräsenz sei keine Bedrohung für die Sicherheit von Ländern wie insbesondere Polen, sondern würde im Gegenteil ihre Sicherheit garantieren. Was empfindet die polnische Bevölkerung hinsichtlich ihrer eigenen Sicherheit? Kommt es zu Reaktionen auf die US-Soldaten?

KPP: Es ist zu früh, um von einer Einstellung der polnischen Bevölkerung zu den US-Basen zu sprechen. Zurzeit ist ihr Image von der Regierungspropaganda und Sprüchen über nationale Verteidigung geprägt. Der Ankunft der US-Truppen in Polen ging groß angelegte Propaganda in den Mainstreammedien voraus. Es wurden Panzerparaden organisiert und internationale Militärmanöver in Polen veranstaltet, um der Bevölkerung die Ausrüstung zu präsentieren. Als Mitte Januar die US-Truppen eintrafen, hat das Verteidigungsministerium im ganzen Land Militärpicknicks organisiert, die allerdings in der Bevölkerung nicht sehr gut ankamen. Es scheint, dass ein großer Teil der Gesellschaft sich passiv verhält, viele Menschen die Politik überhaben und mehr mit sozialen Fragen beschäftigt sind. Es gab mehrere Autounfälle mit Beteiligung von Fahrzeugen des US-Militärs, die zur Grundlage von Witzen wurden. Es ist aber schwer zu sagen, wie die Einstellung zukünftig sein wird.

ICP: Welche Kämpfe führt die KP Polens gegen den Aufenthalt von NATO-Truppen in Polen, während die imperialistische Aggression andauert?

KPP: Im Gegensatz zu opportunistischen Parteien setzt sich die KPP nicht für eine Reform der NATO oder ihren Ersatz durch eine europäische Armee ein. Wir fordern ihre vollständige Auflösung und ihren Ersatz durch die Solidarität der Völker. Wir halten einen Klassenstandpunkt aufrecht und weisen Nationalismus und Militarismus zurück, denn diese werden besonders in den jetzigen Krisenzeiten gegen die Arbeiterklasse eingesetzt. Militärausgaben gehen zulasten von Sozialem, Gesundheitsversorgung und Bildung.

Wir werden weiter als Antimilitaristen handeln, wenn jetzt die US-Truppen in Polen stationiert sind. Wir sind uns sicher, dass der Widerstand besonders an Orten mit Militärbasen zunehmen wird.

Übersetzung: CS

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"Panzerparaden und Militärpicknicks", UZ vom 17. Februar 2017



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