Kriegsvorbereitungen drohen die Entstehung eines neuen Stadtviertels zu verhindern

Panzer statt Wohnungen

Wie die meisten Gemeinden mit knapp über 20.000 Einwohnern taucht das niedersächsische Schwanewede eher selten in der überregionalen Berichterstattung auf. Doch dank der „Zeitenwende“ könnte sich das nun ändern. Denn das Streben nach Kriegstüchtigkeit verlangt der Gemeinde derzeit einiges ab.

Seit dem Jahr 2011 beschäftigt sich der Gemeinderat mit der Frage, wie das Gelände der dortigen Lützow-Kaserne zivil genutzt werden kann. Bis zum Kriegsende 1945 waren hier Zwangsarbeiter untergebracht, die am nahegelegenen U-Boot-Bunker „Valentin“ bauen mussten. Die Bundeswehr übernahm das Grundstück später und begann im Jahr 1956 mit der Errichtung einer Kaserne, die in den folgenden Jahrzehnten hauptsächlich als Standort für Panzergrenadiere diente.

Mit der Veröffentlichung des neuen Stationierungskonzeptes im Jahr 2011 stand fest, dass die Bundeswehr den Standort aufgeben würde. Im selben Jahr richtete die Gemeinde Schwanewede eine Arbeitsgruppe Konversion ein und begann mit den Planungen. Auf 80 Hektar Fläche sollten 500 bis 600 Wohnungen, Kindertagesstätten, Sport- und Freizeitanlagen gebaut werden. Auch an Gewerbeansiedlungen und Naherholungsflächen war gedacht. Kurzum: Es sollte ein neues Stadtviertel entstehen. Eine Mammutaufgabe für den kleinen Ort, der das Gelände im Jahr 2022 für rund eine Million Euro erwarb.

Doch ob das Projekt wie geplant umgesetzt werden kann, steht in den Sternen. Denn die Bundeswehr fühlt sich nicht mehr an das bisherige Versprechen gebunden, die Nutzung eines benachbarten Übungsgeländes aufzugeben. Noch im vergangenen Jahr hatte das „Bundesverteidigungsministerium“ zugesichert, dass der 460 Hek­tar große Übungs- und Schießplatz für Panzer- und Militärfahrzeuge bis zum Jahresende 2024 geschlossen würde. Anschließend sollte das Gelände unter Naturschutz gestellt werden. In diesem Jahr kam dann die Kehrtwende. Der Übungsplatz soll weiter betrieben werden. „Mit der neuen Einsatzlage der Bundeswehr, insbesondere mit der seit Sommer 2023 in Litauen stationierten sogenannten robusten Truppe, habe sich herausgestellt, dass der Standortübungsplatz (…) weiterhin von der Bundeswehr für die Fahrzeugführerausbildung benötigt würden“, heißt es im Protokoll des zuständigen Ortsrates vom 21. Mai 2024.

Wohnungen und Kindergärten vertragen sich schlecht mit donnerndem Militärgerät in direkter Nachbarschaft. Mehr als ein Jahrzehnt der Planung und der Investitionen könnten verloren gehen. Entsprechend beunruhigt zeigte sich Bürgermeisterin Christina Jantz-Herrmann (SPD) gegenüber der Zeitschrift „Die Demokratische Gemeinde“ (DEMO): „An oberster Stelle steht, dass der Konversionsprozess der Gemeinde nicht konterkariert wird.“ Und die Zeit drängt. Denn für die Umsetzung der Pläne hat Schwanewede bereits Mittel aus der Städtebauförderung eingeworben. Jetzt laufen Fristen: 13 Jahre bleiben für die Verwirklichung des Projekts. „Dafür fehlt mir die Fantasie, das in 13 Jahren abgebildet zu bekommen“, so Jantz-Herrmann laut DEMO.

Schwanewede ist nicht allein. Die Militarisierung der Kommunen schreitet bundesweit voran. Immer häufiger werden zivile Vorhaben von den Plänen des Militärs durchkreuzt. So in Gütersloh, wo die US-Armee einen alten Flugplatz remilitarisieren will. Oder in Troisdorf, wo im Stadtzentrum eine Waffenfabrik statt dringend benötigter Wohnungen gebaut werden soll, wenn es nach den Vorstellungen der Bundespolitik geht. Bei der Aufrüstung und der Vorbereitung des großen Kriegs gegen Russland spielt das Verfassungsversprechen der kommunalen Selbstverwaltung keine Rolle mehr.

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"Panzer statt Wohnungen", UZ vom 4. Oktober 2024



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