Israel besteht aber auf Fortsetzung des Krieges und den Angriff auf Rafah

Panzer statt Waffenstillstand

„Ein Angebot, das sie nicht ablehnen können…“, so ungefähr kommentierte US-Außenminister Antony Blinken das letzte Verhandlungsangebot Israels für einen Waffenstillstand mit Hamas. Hamas ließ sich Zeit mit einer Antwort und ihre Delegation reiste am Wochenende zu weiteren Gesprächen nach Kairo. Dort gab es Verhandlungen der Hamas mit Vertretern Ägyptens, Katars und der CIA. Am Ende kam es entgegen allen Erwartungen zu keiner Einigung. Das offenbar unüberwindbare Hindernis: Benjamin Netanjahu bestand auf einer Fortsetzung des Krieges nach einem möglichen Waffenstillstand, Hamas verlangt ein Ende des Krieges.

Das israelische Verhandlungsangebot ging tatsächlich auf viele Forderungen der Hamas ein. In mehreren Stufen sollten Geiseln freigelassen, palästinensische Gefangene nach einem bestimmten Schlüssel aus israelischer Haft entlassen werden. Darunter sollen nach diesem Vorschlag auch Palästinenser sein, die zu langen Haftstrafen verurteilt wurden. Die Bewegungsfreiheit der Menschen in Gaza sollte wiederhergestellt werden, Zivilisten auch in den Norden zurückkehren können. Die israelische Armee würde sich an die Peripherie des Gazastreifens zurückziehen, Drohnenflüge würden zeitlich eingeschränkt. Mehr Hilfslieferungen würden bereitgestellt und der Beginn eines Wiederaufbaus ermöglicht werden. Der Vertragsentwurf sprach sich zwar für die Bereitschaft aus, Gespräche über eine „anhaltende Waffenruhe“ zu führen – schriftliche Garantien aber gab es nicht.

Ein Angriff auf Rafah und die verbliebenen Einheiten der Hamas wird auf jeden Fall erfolgen, erklärten stattdessen das israelische Militär und die Regierung. Die Folgen für die Beziehungen zu Jordanien, Ägypten und vor allem Saudi-Arabien sind für sie wohl nebensächlich.

Das israelische Angebot war nicht, wie Blinken meinte, „großzügig“. Sondern es erkannte an, dass der Krieg auch für Israel nicht zu gewinnen ist – was Teile des israelischen Militärs und der Geheimdienste durchaus wahrnehmen. Nach Monaten des Krieges und der Bombardierungen kommt es selbst aus Gaza gelegentlich zu Angriffen auf das israelische Umland. Der Jemen weitet die Angriffe im Roten Meer und im Indischen Ozean aus. Nach Gruppen aus dem Irak hat jetzt auch eine Gruppe aus Bahrain Ziele in Israel angegriffen, auch auf der Westbank halten die Kämpfe an. Die Situation im Norden Israels, der begrenzte Krieg mit der Hisbollah, ist auf Dauer wirtschaftlich, politisch und militärisch untragbar.

Noch im Januar hatten französische Diplomaten – erfolglos – versucht, einen Waffenstillstand mit der Hisbollah zu erreichen – selbst um den Preis territorialer Zugeständnisse Israels. US-Außenminister Blinken musste seinen Gesprächspartnern in Israel klarmachen, dass ein Waffenstillstand mit der Hisbollah ohne einen Waffenstillstand in Gaza nicht möglich sei.

Selbst Minister des Likud verlangen mittlerweile einen Angriff auf Rafah. Für Netanjahu und seine Regierung hätte ein möglicher Waffenstillstand politischen Sprengstoff bedeutet. Er hätte den Weg zu Neuwahlen möglich gemacht und die Frage gestellt: Wieso nicht schon früher?

Die wiederholten Drohungen Netanjahus, der Angriff auf Rafah würde stattfinden, ob mit oder ohne vorherigen Waffenstillstand, war auch der Versuch, die Verhandlungen zu untergraben.

Dennoch gab es einen erneuten Vermittlungsvorschlag von Ägypten und Katar, dem Hamas unmittelbar zustimmte. In mehreren, lang andauernden Phasen sollen Geiseln ausgetauscht und palästinensische Gefangene freigelassen werden. Darunter sind auch solche, die beim ersten Geiselaustausch freikamen und fast unmittelbar darauf wieder verhaftet wurden. Die letzten Geiseln sollen erst freikommen, wenn ein Ende der Militäroperation angekündigt ist. Dieses Abkommen umfasst auch einen Wiederaufbauplan für Gaza.

Während Hamas auf eine israelische Antwort auf den Deal wartet, bombardieren Flugzeuge und Panzer Rafah …

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"Panzer statt Waffenstillstand", UZ vom 10. Mai 2024



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