Erst die Russen, jetzt die Chinesen: Zunehmende Spionage-Hysterie im Berliner Politbetrieb

Panikmache im Schattenkrieg

Zunächst waren es wie in den 50er und 60er Jahren des letzten Jahrhunderts die Russen: Am 18. April verkündete Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) die Festnahme von zwei „Deutschrussen“, denen die Bundesanwaltschaft vorwarf, „für russische Geheimdienste spioniert zu haben“. Es handele sich, so Faeser, um „einen besonders schweren Fall der mutmaßlichen Agententätigkeit für Putins Verbrecherregime“. Bei so viel Schaum vor dem Mund wollte Bundesaußenministerin Annalena Baer­bock (Grüne), die per Amt eigentlich zur Pflege von Beziehungen zu ausländischen Mächten verpflichtet ist, nicht nachstehen und verkündete: „Wir werden nicht zulassen, dass Putin seinen Terror nach Deutschland trägt.“ Erstaunlicherweise nichts zu hören war diesmal vom „Bundesverteidigungsminister“ Boris Pistorius (SPD), dessen Luftwaffenchef bekanntlich und ohne dass es deswegen je zu ähnlich starken Worten gekommen wäre, in Telefonaten mit anderen Offizieren der Bundeswehr unverhohlen plante, per Taurus-Marschflugkörper auf zivil genutzte Brücken Terror nach Russland zu tragen.

Von den Vorwürfen – die beiden Festgenommenen hätten Brücken und andere wichtige Orte „kritischer Infrastruktur“ ausgekundschaftet – ist seitdem nichts mehr zu hören. Kleinlaut musste auch die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ einräumen, dass „keiner der beiden Beschuldigten Zugang zu sensiblen Informationen hatte, also kein Insiderwissen. Es stand auch kein konkreter Anschlag bevor.“ Trotzdem phantasierte das Blatt von „Putins Krieg gegen Deutschland“ und trommelte: „Jeder muss begreifen: Dieser Krieg ist nicht fern. Er ist hier.“ Damit lag der Zweck dieses absurden Theaterstücks auf der Hand: Es ging und geht um das Schüren von Kriegshysterie, um das Aufhetzen der inneren Heimatfront gegen alles Russische.

Weil das offenbar nicht reicht, kommen nun nach den Russen die Chinesen ins Fadenkreuz. Jian Guo, ein Mitarbeiter des AfD-Spitzenkandidaten zur Europawahl Maximilian Krah, wurde in Untersuchungshaft gesteckt. Diesmal schaltete sich sogar der Kanzler ein und setzte dreimal das Wörtchen „sehr“ vor die Bezeichnung dieses Falls als „schwerwiegend“. Die Substanz der Vorwürfe ist auch hier dünn: Jian Guo soll „Informationen über Verhandlungen und Entscheidungen im EU-Parlament weitergegeben haben“ – also dem Parlament, dessen Größe im schreienden Kontrast zu seinen Befugnissen steht, überhaupt über irgendetwas von Relevanz zu verhandeln oder gar zu entscheiden. Zweitens aber soll er „chinesische Oppositionelle in Deutschland ausgespäht haben“. Vermutlich wird auch dies im Sande verlaufen.

Was aber geschehen wird: Die bereits ramponierten Beziehungen zum wichtigsten Auslandsmarkt Deutschlands werden weiter zerstört. Gegenüber der Nachrichtenagentur Xinhua wies die chinesische Botschaft in Berlin alle Anschuldigungen entschlossen zurück. „Wir fordern die deutsche Seite auf, damit aufzuhören, den Spionagevorwurf auszunutzen, um das Bild von China politisch zu manipulieren und China zu diffamieren.“ Wie zur Bestätigung mokierte sich die deutsche Botschafterin in China, wahrscheinlich zur Freude ihrer Chefin, wie ein Elefant im Porzellanladen öffentlich darüber, dass sie wegen des Vorfalls in das Außenministerium bestellt worden sei. Das sei „ein bezeichnender Schritt“, wie sie etwas nebulös verkündete.

Zweitens und vor allem aber dient auch dies dem Zweck der Hysterisierung der deutschen Innenpolitik. Kurze Zeit später kündigte mit Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) auch ein Vertreter der dritten Ampelpartei „weitere Enttarnungen“ an und klagte, Deutschland „sei in den Fokus autoritärer Mächte geraten“. Die Medien fabulierten von „40.000 Spionen“ – gemeint waren die in Deutschland studierenden Chinesinnen und Chinesen. Alles Spione.

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"Panikmache im Schattenkrieg", UZ vom 3. Mai 2024



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