Wie gefährlich ist der Imperialismus im Niedergang?“ – unter dieser Leitfrage versammelten sich am vergangenen Wochenende in Berlin rund 3.000 junge und alte an Marx und Engels orientierte Linke bei der Rosa-Luxemburg-Konferenz. Wenn es noch eines Beweises für die Richtigkeit dieser bangen Frage bedurft hätte – der neugewählte US-amerikanische Präsident Donald Trump beantwortete sie schon vor Amtsantritt.
Militärische Gewalt nicht ausschließend, stellte er die Einverleibung Grönlands, Kanadas und die Wiedererlangung des Panamakanals durch die USA zur Debatte. Ganz neu sind diese Gelüste nicht. 1812 etwa wollten die damals noch aufstrebenden USA sich Kanada einverleiben, mussten aber erleben, dass das britische Empire ihnen das nicht nur militärisch verwehrte, sondern im Gegenzug auch das Weiße Haus in Washington niederbrannte. Und nachdem Washington erfolgreich Alaska von Russland und im Ersten Weltkrieg einige kleinere Inseln von Dänemark gekauft hatte, bot Harry Truman Dänemark nach dem Zweiten Weltkrieg 100 Millionen Dollar für Grönland.
Das war auf dem Höhepunkt der US-amerikanischen Finanzmacht. Das Bizarre an den Ankündigungen von Trump ist das Aufgreifen früherer Expansionspläne aus einer Position der ökonomischen Schwäche und des Niedergangs heraus. Statt neuer Kaufgebote gibt es folglich ein Hochschrauben der Aufrüstung. Dieses Gemisch aus Niedergang, Expansionsträumereien und Militarismus ist die Grundlage für das westliche Abenteurertum dieser Zeit.
Zur Verzweiflung besteht allerdings kein Grund. Die Herausbildung der die US-Dominanz ablösenden multipolaren Welt schreitet voran – nicht nur von den volkswirtschaftlichen, demographischen und auch militärischen Grunddaten aus gesehen. Der zunehmenden Hysterie des Westens setzen die in den BRICS-Staaten versammelten Mächte mit ihren Kernen Russland und China auch eine auffallende Ruhe in Rhetorik und Handeln entgegen. Ohne großes Säbelrasseln schiebt die russische Armee die Frontlinie immer näher heran an die Grenzen der in die Russische Föderation aufgenommenen neuen, russischsprechenden Gebiete. Sie schafft so die Voraussetzungen, hoffend auf eine Restrationalität im NATO-Lager, vielleicht doch noch ernsthaft über Frieden für den Donbass zu verhandeln.
Während Trump nach Kanada und Grönland geiert, reist der chinesische Außenminister durch Afrika. Auch das hat weit in die Vergangenheit reichende Wurzeln. Beide Kontinente – denn China ist faktisch einer – hatten vor 150 Jahren 500 Millionen Einwohner und haben jetzt knapp 1,5 Milliarden. Beiden war durch die Kolonialmächte des 19. Jahrhunderts ein Schicksal der Zerstückelung, Erniedrigung und Ausplünderung zugedacht. Bei Afrika ist ihnen das gelungen, China hat das unter blutigen Opfern unter Führung der Kommunistischen Partei verhindert. Jeder gebildete Mensch in Afrika weiß das und jeder in China auch. Dieses Bollwerk der drei Milliarden wird sich weder durch die alten Kolonialisten noch durch die USA erneut unter die Knute zwingen lassen.
Die grundlegenden Prozesse unserer Zeit werden um Europa und damit Deutschland keinen Bogen machen. Je früher sich dieses Land von den innen- wie außenpolitisch in Blut und Wahnsinn versinkenden USA ab- und den BRICS-Staaten ökonomisch und politisch zuwendet, desto besser werden die Aussichten für ein Leben in Frieden, Wohlstand und sozialer Sicherheit der 80 Millionen Menschen zwischen Rhein und Oder sein. Daten wie Rhetorik zeigen, wo Verzweiflung und Abenteurertum und wo Ruhe und Optimismus regieren.