In über 90 Städten fanden über die Ostertage Demonstrationen, Proteste und Mahnwachen der Friedensbewegung statt. Mehrere zehntausend Menschen gingen auf die Straße. Am vergangenen Montag endeten die Aktionen mit der Forderung von Demonstranten in Büchel, die dort stationierten Atomwaffen abzuziehen.
Nach dem Ostermarsch am Gründonnerstag in Erfurt starteten am Karfreitag die Ostermärsche u. a. in Biberach, Bruchköbel, Chemnitz, Gronau, Jagel und Stuttgart. In Gronau begann der Ostermarsch an der Urananreicherungsanlage unter dem Motto „Urananreicherung und Atomwaffen ächten! Zivile Konfliktlösung statt Waffenexporte“. In Stuttgart hieß es „Frieden braucht Bewegung. Gegen Aufrüstung, Krieg und atomares Wettrüsten“. Die letzte Etappe des Ostermarsches Ruhr führte von Bochum zur Abschlusskundgebung nach Dortmund. In Hamburg gingen etwa 3 000 Menschen auf die Straße.
In Berlin fand der Ostermarsch am Samstag statt. Etwa 2 000 Menschen demonstrierten hier für Frieden und Abrüstung. Die DKP Berlin sammelte 128 Unterschriften unter den Appell „Abrüsten statt Aufrüsten“. In einer gemeinsamen Abschlusserklärung zeigten sich die Demonstrantinnen und Demonstranten „entsetzt, dass Regierungen ohne Vorlage von Beweisen, lediglich aufgrund von Mutmaßungen, Spekulationen und Behauptungen, die russische Regierung eines Giftanschlags beschuldigen und sich über jedes rechtsstaatliche Prinzip hinwegsetzen, indem sie Sanktionen verhängen“. Neben Uli Scholz (AG Frieden/GEW Berlin), redeten Eugen Drewermann (Theologe) und Diether Dehm (MdB „Die Linke“). Während deutliche Kritik an den NATO-Angriffskriegen bei den anwesenden Medienvertretern nur Achselzucken hervorrief, sorgte „Rüpel“ Dehm („Bild“) für Aufregung, weil er Außenminister Heiko Maas als „Nato-Strichjunge“ bezeichnet haben soll.
Auf vielen Kundgebungen war die Forderung nach einer neuen Entspannungspolitik gegenüber Russland zu hören. In Frankfurt stand der Ostermarsch in diesem Jahr unter dem Motto „Frieden schaffen. Abrüsten statt aufrüsten. Für eine neue Entspannungspolitik“.
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Ostermärsche forderten die Bundesregierung auf, den UN-Atomwaffenverbotsvertrag zu unterzeichnen.
Frieden kann es nur für ganz Syrien geben
Grußwort aus Homs (Syrien) von der Journalistin Karin Leukefeld an den Ostermarsch Berlin
Hier in Syrien hat das achte Kriegsjahr begonnen. Mit landesweiten Waffenstillständen und dem Niederlegen der Waffen haben die Syrer schon lange gezeigt, dass sie Frieden wollen. Niemand weiß so gut wie sie, was sie in den vergangenen Jahren verloren haben.
Doch regionale und internationale Mächte wollen ihre Interessen durchsetzen. Israel und die Türkei wollen Teile Syriens kontrollieren. Die Gebiete östlich des Euphrat, wo es Öl und Gas, Wasser und Weizen gibt, hat die US-Armee besetzt. Mindestens 18 Militärbasen und -Flughäfen wurden von den USA errichtet. Sie alle verstoßen mit ihrer Einmischung gegen das Völkerrecht und wollen sich Zugang und Zugriff auf den souveränen Staat Syrien verschaffen.
Hier kommt auch Deutschland ins Spiel, denn die Bundeswehr ist Teil der US-geführten „Anti-IS-Koalition“. Und obwohl der IS, der so genannte „Islamische Staat“, weitgehend zerschlagen ist, hat der Bundestag kürzlich einer Ausweitung des militärischen Engagements der Bundeswehr in Bagdad und Jordanien zugestimmt. Den Syrern nutzt das ganz sicher nicht.
Mehr als 100 000 Menschen kommen in diesen Tagen durch humanitäre Korridore aus der Kampfzone der östlichen Ghouta, einem ehemaligen Grüngürtel um die syrische Hauptstadt Damaskus, wo Kampfgruppen mit Unterstützung aus Katar, der Türkei und Saudi-Arabien ein „östliches Khalifat“ errichten wollten.
Mindestens 180 000 Menschen wurden von türkischen Truppen und der so genannten „Freien Syrischen Armee“ aus ihren Dörfern in Afrin vertrieben und wissen nicht, ob sie jemals zurückkehren können. Der eine NATO-Staat, die Türkei, verfolgt die Kurden selbst jenseits seiner Grenzen in Syrien. Andere NATO-Staaten, wie USA und Frankreich, geben vor ihnen zu helfen.
Um den Menschen in Syrien zu helfen werden keine neuen Kampfeinsätze gebraucht. Die völkerrechtswidrigen Militärinterventionen und Einmischungen müssen aufhören, Dialog ist nötig. Deutschland muss auf Syrien zugehen, die Botschaft wieder öffnen und die Wirtschaftssanktionen gegen das Land beenden.
Frieden kann es nur für ganz Syrien geben, dafür muss die Friedensbewegung sich einsetzen.
Kriege fallen nicht vom Himmel
Rede von Horst Schmitthenner für den Ostermarsch Kassel am 2. April 2018
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Genossinnen und Genossen,
Freundinnen und Freunde,
vor 12 Jahren habe ich hier zusammen mit Peter Strutynski gestanden, unserem Freund und Genossen, der viel zu früh gestorben ist und uns an allen Ecken fehlt. Wir haben gemeinsam gegen Kriege und für Frieden demonstriert.
Wir haben die gesellschaftlichen Bedingungen und die politischen Handlungen analysiert, die Kriegen zu Grunde liegen und friedenspolitische Aktivitäten behindern.
Das ist es, was er uns als Hochschullehrer mit seinem Lehrstuhl für Frieden und Abrüstung gelehrt hat: Kriege fallen nicht vom Himmel, sie werden gemacht.
Und, noch wichtiger, zu Kriegen gibt es friedenspolitische Alternativen. (…)
Kriege und bewaffnete Konflikte wie in Syrien, in Kurdistan, im Irak, in Afghanistan oder der Ukraine scheinen kein Ende zu nehmen.
1,8 Billionen Euro werden jährlich für Rüstung und Krieg ausgegeben. Gleichzeitig steigen die Rüstungsexporte. (…)
Neben den kriegerischen Auseinandersetzungen und der zunehmenden Militarisierung der Politik hat gleichzeitig die soziale Spaltung dramatische Ausmaße erreicht. Gerade einmal 45 Superreiche haben mehr Vermögen als die ärmere Hälfte der Deutschen.
Diese Spaltung gibt es nicht nur im globalen Maßstab, sie durchzieht nahezu alle Gesellschaften, auch die deutsche.
Millionen Menschen müssen sich mit Niedriglöhnen durchschlagen, haben keinerlei Aussicht auf eine existenzsichernde Rente, müssen um die wenigen bezahlbaren Wohnungen konkurrieren.
Anstatt dieses Problem anzugehen, werden immer mehr Mittel für Waffen und Militär ausgegeben und die Bundeswehr wird grundgesetzwidrig in immer mehr Staaten geschickt.
Sie plant in diesem Jahr 30 Mrd. mehr und bis 2030 sollen 130 Milliarden Euro zusätzlich für Rüstung ausgegeben werden.
Gleichzeit fehlen überall Gelder für Bildung, Soziales und ökologischen Umbau.
Das ist desaströse, verachtenswerte Politik. (…)
Eine Möglichkeit, Kriege zu verhindern, ist auch unser Kampf für eine Beendigung der Rüstungsproduktion.
Denn ohne Waffen und militärisches Gerät könnten die Kriege, die überall in der Welt geführt werden, nicht stattfinden.
Es ist ein Skandal, dass Deutschland, nach den USA und Russland, inzwischen der drittgrößte Waffenexporteur der Welt ist.
Bei Panzerlieferungen nimmt Deutschland sogar den 2. Platz ein und bei U-Booten den 1. Platz. (…)
Ich frage, müssen wir wirklich auf Rüstungsproduktion setzen um Beschäftigung zu sichern? Die Fakten jedenfalls sprechen dagegen.
Lediglich 80 000 Arbeitsplätze sind direkt von der Rüstungsproduktion abhängig.
Das ist schon angesichts der 3,4 Millionen Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie sehr überschaubar und zu bewältigen. Und angesichts der gut 45 Millionen Beschäftigten in der Gesamtwirtschaft ist leicht denkbar, dass qualifizierte Ersatzarbeitsplätze zu schaffen sind.
Und der Anteil der Rüstungsexporte an allen Ausfuhren liegt unter 1 Prozent.
Der Titel des Exportweltmeisters ließe sich auch locker ohne Rüstung holen.
(…) es stimmt, Wohlstand und Arbeitsplätze hängen in diesem Land nicht von der Rüstungsindustrie und nicht vom Export von Waffen ab.
Was fehlt, ist der entschiedene Wille der Politik, aber auch der Gewerkschaften, die Rüstungskonversion wirklich ernsthaft zu betreiben.
Wir werden weiter dafür sorgen müssen, dass sich das ändert und der Wille, Rüstung und somit Kriege zu beenden, sichtbar stark und bestimmend wird.
Abrüsten statt Aufrüsten, Atomwaffen abschaffen, Friedenspolitik statt Konfrontation.
Horst Schmitthenner ist ehemaliges geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall.