Vor den Landtagswahlen: Ampel-Beschlüsse belasten den Osten besonders. SPD setzt auf Märchen-Wahlkampf

Ostdeutsche Erfolgsgeschichten

Im Willy-Brandt-Haus schrillen angesichts der bevorstehenden Landtagswahlen in drei ostdeutschen Bundesländern die Alarmsirenen. Besonders düster sind die Aussichten der Sozialdemokraten in Sachsen. Dort sieht die jüngste Umfrage des Meinungsforschungsinstituts „Civey“ die SPD bei nur noch 3 Prozent und damit klar unter der 5-Prozent-Hürde. Zugleich gaben 37 Prozent der Befragten an, ihr Kreuz bei der AfD machen zu wollen. Damit wäre die selbsternannte „Alternative“ vor der CDU mit 33 Prozent stärkste Partei im Freistaat. Die FDP käme in einer Region, in der Einkommensmillionäre und andere Stammwähler dünn gesät sind, auf gerade einmal 1 Prozent. Die Grünen mit 7 Prozent und auch die „Linke“ mit 8 Prozent lägen weit abgeschlagen hinter AfD und CDU.

Diese Umfrageergebnisse sind kein Zufall, sondern spiegeln aus Sicht der sächsischen SPD-Spitzenkandidatin Petra Köpping die Stimmung in Sachsen gegenüber der Ampel wider. Die Bundesregierung habe „die Erwartungen vieler Menschen enttäuscht – gerade hier im Osten“, sagte die Sozialdemokratin dem „Berliner Tagesspiegel“. „Viele haben das Gefühl, dass nicht an sie gedacht wird, wenn es um die vielen Veränderungen geht.“

Tatsächlich verheißt die Krisenpolitik der Berliner Koalition für die übergroße Mehrheit der Menschen im Land nichts Gutes. Hohe Militärausgaben und die „Corona-Schulden“ in Verbindung mit einer restriktiven Finanzpolitik schränken die Spielräume für Soziales, Bildung und Gesundheit immer mehr ein. Zudem wird der CO2-Preis von aktuell 30 auf 45 Euro je Tonne angehoben. Damit verteuern sich unter anderem Sprit, Erdgas und Heizöl erheblich. Die zusätzliche Belastung bei Benzin und Diesel beträgt einschließlich der zuvor bereits beschlossenen Anhebung rund 4,3 beziehungsweise 4,7 Cent je Liter. Gas verteuert sich um 0,39 Cent pro Kilowattstunde und Heizöl um 4,8 Cent pro Liter. Hinzu kommt, dass der Bundeszuschuss zu den Stromnetz-Kosten gestrichen wurde, so dass die von den Verbrauchern zu zahlenden Netzentgelte steigen. Von diesen Erhöhungen ist der Osten besonders betroffen. Hier zahlen die Netzkunden für den Windkraftnetzausbau schon jetzt 5 Cent mehr pro Kilowattstunde als in einigen westlichen Bundesländern.

Hinzu kommen die deutlich niedrigeren Löhne im Osten, wodurch die Belastung im Verhältnis zum Nettoeinkommen besonders stark ansteigt. Durchschnittlich erhalten die Beschäftigten dort 24 Prozent weniger Gehalt als ihre Kolleginnen und Kollegen in Westdeutschland. Gerade einmal in 20 Prozent der Betriebe wird nach Tarif gezahlt. Nur 45 Prozent der Beschäftigten erhalten einen Tariflohn und dieser ist in der Regel niedriger als im Westen. Als Folge der Niedriglohnpolitik sind die Renten im Durchschnitt um 200 Euro niedriger, wodurch Altersarmut zunimmt. Die Benachteiligung zwischen Ostsee und Thüringer Wald betrifft jedoch nicht nur die Löhne und Renten. Auch die jährliche Arbeitszeit ist 65 Stunden länger als im bundesweiten Durchschnitt.

Die kritische Analyse von Petra Köpping wird von den Protagonisten im Berliner Willy-Brandt-Haus höchstens bedingt geteilt. Gefühle müssten ernst genommen werden, reagierte Generalsekretär Kevin Kühnert stellvertretend für die SPD-Führung in der vergangenen Woche auf die Umfragewerte. Man wolle ostdeutsche Erfolgsgeschichten erzählen. Der Wahlkampf müsse sich darum drehen, wie noch mehr von ihnen geschrieben werden könnten. Mit Zuversicht und Aufbruchstimmung gegen den drohenden Rechtsruck, so lautet offensichtlich die Devise der SPD-Wahlkampfstrategen. Und wenn die Wahrnehmung der eigenen Politik mit der Lebensrealität vieler Menschen im deindustrialisierten Osten nicht übereinstimmt, wird einfach die Geschichte vom aufgestellten Windrad im Thüringer Wald noch einmal erzählt.

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"Ostdeutsche Erfolgsgeschichten", UZ vom 12. Januar 2024



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