Bei den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein am vergangenen Sonntag überholte die CDU mit knapp 5 Prozentpunkten Abstand die SPD. Die FDP gewann die meisten Stimmen dazu. Mit 5,9 Prozent schaffte die extrem rechte AfD den Einzug in den zwölften von 16 Landtagen in der Bundesrepublik. Die „Linke“ blieb unterhalb der 5-Prozent-Klausel. Der bisherige Ministerpräsident Torsten Albig (SPD), der mit einer Minderheitenregierung aus SPD, Grünen und Südschleswigschem Wählerverband SSW seit 2012 das Land regiert hatte, musste sich dem Wahlsieger, Daniel Günther (CDU), geschlagen geben.
Die Wahl in Schleswig-Holstein ist Ausdruck einer schleichenden Rechtsentwicklung im ganzen Land. Diese Rechtsentwicklung kommt aber nicht wie eine tektonische Plattenverschiebung aus dem Erdinneren. Sie wird vielmehr organisiert herbeigeführt. Wichtigste Akteure dabei sind die Regierungsparteien in Berlin. CDU/CSU beschneiden das Asylrecht weiter, sie stellen selber Forderungen auf, den „Flüchtlingszuzug zu begrenzen“, „Einreisen zu kontrollieren“, das „Asylverfahren zu beschleunigen“ und wetteifern dabei untereinander, welche Maßnahme Immigranten am besten fernhält. Die Regierung verschärft die Sicherheitsgesetze. Sie weigert sich, die Verbindungen der Geheimdienste des Landes und der USA mit Terroristen offenzulegen. Sie führt Krieg und propagiert Aufrüstung.
Im Innern betreibt die Regierung unverändert den Kurs der Privatisierung. Weil das nicht populär ist, stellt sich die SPD gerne in den Medien als die Kraft dar, die die aktiv betriebene Privatisierung der Autobahnen verhindern möchte. Dennoch tut sie alles, um die zur Privatisierung erforderlichen Änderungen des Grundgesetzes zu ermöglichen. Das ist rechte Politik. Zugleich versucht die SPD in der Großen Koalition, sich von dieser rechten Politik zu distanzieren.
Ein Paradebeispiel stellen Martin Schulz und die Martin-Schulz-Kampagne dar. Zuerst schickte der SPD Vorstand den einzigen, der von ihrer Führungsriege übrig war, ins Rennen um die Kanzlerschaft. Martin Schulz punktete mit dem Umstand, dass er in Deutschland nicht so bekannt und verbraucht war wie der bisherige Vorsitzende Sigmar Gabriel. Die allgemein vorgetragene Forderung nach „mehr sozialer Gerechtigkeit“ fand Anklang. Im beginnenden Bundestagswahlkampf rückte die soziale Frage gegenüber der nationalen Frage stärker in den Vordergrund. In Umfragen war dies daran abzulesen, dass der AfD der Wind aus den Segeln genommen werden konnte. Von den 2-stelligen Prozentzahlen, die noch im Frühjahr für die AfD überall prognostiziert wurden, war keine Rede mehr.
Martin Schulz und sein Gerechtigkeitsbegehr wirkten einige Wochen lang glaubhaft, als er nämlich in Aussicht stellte, dass er als Kanzler und seine SPD die 2003 von der SPD-geführten Regierung Schröder beschlossene „Agenda 2010“ zumindest teilweise rückgängig machen würden. Das war allerdings auch der Moment, als Schulz – wahrscheinlich mit seinem Einverständnis – zurückgepfiffen wurde. Die SPD bremste das Gerechtigkeitsthema aus. Der Hype um Schulz wurde heruntergefahren. Die Diskussion darüber, was an der Agenda 2010 beseitigt werden könnte, wurde eingestellt. Die SPD wieder zur besseren CDU zurechtgestutzt.
Das schlechte Wahlergebnis der SPD in Schleswig-Holstein kommentierte Katarina Barley, Generalsekretärin der Partei, gegenüber der FAZ: „Ich kann mir das nur so erklären, dass es in den letzten zwei, drei Wochen gar nicht mehr so sehr um politische, um Gerechtigkeitsthemen ging, sondern eher um Dinge wie das Privatleben des Ministerpräsidenten.“ Das ist nur scheinbar naiv. Gerechtigkeit zum Hauptthema zu machen, wenn es brisant wird, sie aber wieder auszuklammern, führt dazu, dass Schulz und seine Versprechungen unglaubwürdig wirken. Das Vertrauen, dass er eine Alternative zu Angelika Merkel und ihrer Politik für die Banken und Konzerne sein könnte, wurde im Keim erstickt.