Simón Trinidads 72. Geburtstag ist am 30. Juli, aber man muss nicht auf die Idee kommen, ihm eine Karte zu schicken. Die US-Gefängnisbehörden haben seine Post seit 2004 blockiert. Er ist in einem Hochsicherheitsgefängnis im US-Bundesstaat Colorado inhaftiert. Er wurde von Kolumbien ausgeliefert und blieb bis 2018 in Einzelhaft.
Als Anführer der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (FARC) war Trinidad für politische Bildung und Propaganda zuständig. Im Jahr 2003 wurde er mithilfe der CIA in Ecuador gefangen genommen. Er hatte sich dort mit einem Vertreter der Vereinten Nationen über die Freilassung von FARC-Gefangenen beraten.
Trinidad war in Kolumbien ein hochrangiger Gefangener. Er hatte familiäre Verbindungen zu den oberen Schichten der kolumbianischen Gesellschaft und war von 1998 bis 2002 einer der führenden FARC-Verhandlungsführer bei den Friedensgesprächen mit der kolumbianischen Regierung. Kolumbianische Beamte baten die US-Regierung, seine Auslieferung zu beantragen.
Die USA taten dies gern, verfolgten sie doch eine genaue Zielstellung für das lateinamerikanische Land. Der „Kolumbien-Plan“ der USA trat Anfang der 2000er Jahre in Kraft. Für mehr als 10 Milliarden US-Dollar stellte die US-Regierung militärische Ausrüstung, Nachrichtendienste und Mittel für das kolumbianische Militär, die Polizei und die Gefängnisse bereit. Ziel war es, so die U. S. Global Leadership Coalition, „Sicherheit und wirtschaftliche Entwicklung zu unterstützen, um die Ausbreitung des Drogenhandels zu bekämpfen und das Wirtschaftswachstum zu fördern“.
Der Rauschgifthandel war eigentlich zweitrangig. Beim „Kolumbien-Plan“ ging es in erster Linie um die Bekämpfung linker Aufständischer, vor allem der FARC. Ein gefestigtes Bündnis war der Hintergrund für die Angriffe auf Trinidad und für die verstärkte politische Unterdrückung in Kolumbien.
Der kolumbianische Historiker Vega Cantor schätzt ein, dass „der ‚Kolumbien-Plan‘ die Gesellschaft auf beeindruckende Weise militarisiert und das Wachstum der kolumbianischen Streitkräfte in unvorstellbare Höhen getrieben“ hat. Kolumbien verfügt derzeit über 500.000 Soldaten; seine Armee ist eine der größten der Welt. Etwa 50.000 kolumbianische Militär- und Polizeioffiziere wurden in der „School of the Americas“ der US-Armee in Georgia ausgebildet, die von einigen als „Schule der Mörder“ bezeichnet wird.
Die US-Regierung hat die Grausamkeit, die den Bürgerkrieg ihres Partners kennzeichnet, bereitwillig akzeptiert. Die Grausamkeiten wurden vor kurzem sichtbar. Die Wahrheitskommission, die im Rahmen des Friedensabkommens von 2016 zwischen der FARC und der kolumbianischen Regierung eingesetzt wurde, veröffentlichte am 28. Juni 2022 ihren zehnbändigen Abschlussbericht. Die darin geschilderten Verbrechen sind so weitreichend, dass sie das Strafrechtssystem Koluimbiens infiziert haben, so scheint es zumindest.
Der Analyst Camilo Rengifo Marín verweist in seinem Bericht auf „einen mehr als 60 Jahre andauernden bewaffneten Konflikt, der mehr als 10 Millionen Opfer gefordert hat, von denen 80 Prozent Zivilisten waren“. Er schreibt, dass „50.770 entführt wurden, 121.768 verschwanden, 450.664 ermordet wurden und 7,7 Millionen gewaltsam verschwanden“. Ein anderer Beobachter meint: „Der Bericht kritisiert die Rolle, die verschiedene US-Regierungen bei der Entwicklung der Sicherheitspolitik, bei der Militarisierung der Gesellschaft und bei der Verschleierung der Beziehungen zwischen paramilitärischen Gruppen und der kolumbianischen Armee gespielt haben.“
Simón Trinidad ist in den USA so gut wie unsichtbar geblieben. Die US-Behörden haben seine Auslieferung ausschließlich wegen des angeblichen Drogenhandels beantragt. Schließlich verbietet das internationale Recht die Auslieferung aus politischen Gründen, etwa wegen Rebellion. In der Anklageschrift, mit der Trinidad bei seiner Ankunft in Washington begrüßt wurde, wurden ihm die materielle Unterstützung von Terroristen, Geiselnahmen und der Handel mit illegalen Drogen vorgeworfen.
Es bedurfte vierer Prozesse zwischen 2006 und 2008, um ihn von den Vorwürfen des Drogenhandels und der materiellen Unterstützung von Terroristen freizusprechen und ihn wegen der Verschwörung zur Entführung von drei US-Drogenkriegsunternehmern zu verurteilen. Deren Flugzeug war durch Schüsse der FARC zum Absturz gebracht worden. Diese Idee ergab sich ausschließlich aus Trinidads Status als FARC-Mitglied.
Im Jahr 2008 wurde der damals 57-jährige Trinidad zu 60 Jahren Haft verurteilt. Seit 2018 darf er eine Mittagsmahlzeit in einem Speisesaal einnehmen. Telefonanrufe sind selten, E-Mails und Zeitschriften sind verboten, ebenso wie Briefe. Trinidads einzige Besucher sind seine Anwälte und selten sein Bruder und Kolumbianer, die sich über die Vereinbarungen des Friedensabkommens beraten.
Trinidad ist in Kolumbien wegen möglicher Verbrechen während des Bürgerkriegs angeklagt. Das Friedensabkommen sieht eine „Sondergerichtsbarkeit für den Frieden“ (JEP) vor, deren Aufgabe es ist, über die Bestrafung oder Begnadigung ehemaliger Kämpfer beider Seiten zu entscheiden, denen Verbrechen zur Last gelegt werden. Um begnadigt zu werden, müssen sie die Wahrheit sagen.
Trinidad hat das Recht, vor der JEP zu erscheinen. Sein US-Anwalt Mark Burton teilte per E-Mail mit, dass ein erster Schritt für sein virtuelles Erscheinen vor der JEP darin besteht, dass das kolumbianische Außenministerium das US-Justizministerium ersucht, Trinidads Erscheinen vor der JEP zu genehmigen.
Burton ist hoffnungsvoll. Der Außenminister der neuen Regierung Gustavo Petro könnte dafür empfänglich sein: Álvaro Leyva Durán „arbeitete während der Friedensgespräche in Havanna im Verhandlungsteam der FARC“, erinnert sich Burton. Die JEP könnte Trinidad begnadigen oder verlangen, dass er in Kolumbien vor Gericht erscheint. So oder so würde der Druck auf die US-Regierung steigen, seine Strafe umzuwandeln, um seine Ausweisung zu ermöglichen.
Der gewählte Präsident Gustavo Petro protestierte im Wahlkampf gegen die anhaltenden Morde an Gemeindeführern und ehemaligen FARC-Kämpfern. Eine zentrale Forderung seiner Koalition des Historischen Pakts ist die vollständige Umsetzung des Friedensabkommens von 2016. Letztlich hängt jegliche Hafterleichterung für Trinidad von der Verwirklichung des Friedens in Kolumbien ab.
Jede Annäherung der US-Regierung an die Ziele der neuen Regierung des Historischen Pakts wäre eine gute Nachricht für Trinidad. Es wäre auch eine gute Nachricht, wenn die USA von ihrer Intervention in Kolumbien auch nur ein wenig zurücktreten würden. US-Außenminister Antony Blinken, der mit Petro sprach, „unterstrich die gemeinsamen demokratischen Werte unserer Länder und verpflichtete sich, die 200-jährige Freundschaft zwischen den USA und Kolumbien weiter zu stärken“, heißt es in einer Mitteilung vom 20. Juni.
Der Frieden in Kolumbien und das Schicksal Trinidads hängen davon ab, dass die USA ihre Haltung der Überwachung einer ganzen Region lockern, das heißt, dass sie derzeit jeden Ansatz eines grundlegenden politischen und sozialen Wandels überwachen. Eine neue Art von Offenheit der USA verträgt sich jedoch nicht mit ihrer Entschlossenheit, die Interessen der Konzerne und des Geldadels im In- und Ausland zu schützen.