„Du willst aktiv werden und etwas gegen Unterfinanzierung in Köln oder anderswo unternehmen? Dann komm mit zum Festival der Jugend. Auf dem Podium zu „Containerschulen“ wollen wir darüber diskutieren, woher die Scheiße kommt und was man dagegen unternehmen kann!“
Köln ist nicht nur der Austragungsort des geilsten Festivals der Welt – wir meinen natürlich das „Festival der Jugend“ vom 7. bis 10. Juni der SDAJ –, sondern auch die Schülerinnen und Schüler in Köln haben mit demselben Problem zu kämpfen wie in fast jeder anderen Stadt Deutschlands auch: Unterfinanzierung. Am Berufskolleg Ehrenfeld zum Beispiel schimmelt es, die Abflüsse scheinen in keinem guten Zustand zu sein, ständig fehlt es an Papierhandtüchern und Toilettenpapier und die WCs riecht man bis auf den Pausenhof. Das Kolleg wird von gut 3 200 Schülern besucht, die im hauswirtschaftlichen, erzieherischen und gastronomischen Bereich ausgebildet werden, und es ist nicht verwunderlich, wenn SchülerInnen die Absurdität anprangern, dass bei solchen Toiletten etwas über Hygiene beigebracht werden soll.
Doch noch viel absurder ist eigentlich, dass in Köln seit Anfang des Jahres lieber über etwas ganz anderes diskutiert wird: Die Stadt soll einer von dreizehn Austragungsorten der Olympischen Spiele 2032 werden, zumindest wenn es nach dem Unternehmer Michael Mronz und NRW-Ministerpräsident Armin Laschet geht. Mronz ist bekannt, besser berüchtigt, als Marketing- und Eventmanager von großen Sportereignissen. Für so jemanden ist klar, dass Milliarden von Euro – zumindest zeigen das die Erfahrungen der letzten Jahrzehnte – in die Austragung eines Großevents investiert werden sollen, noch bevor über große Probleme wie Unterfinanzierung überhaupt diskutiert wird. Stattdessen geht es um völlig wahnsinnige Vorhaben wie Lufttaxis, die Besucher zu den Sportveranstaltungen fliegen sollen. Nicht einmal dabei wird über den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) diskutiert, der in NRW ohnehin zu wünschen übriglässt. Und weil Bildung Ländersache ist, fehlt jeder Cent, der in wahnwitzige Großevents investiert wird, dort, wo er wirklich gebraucht wird: in den Schulen oder im ÖPNV, bei sinnvollen Sportangeboten, in der Infrastruktur oder für bezahlbares Wohnen. Da hilft es auch nicht, dass die dahinterstehende GmbH, die Rhein Ruhr City GmbH mit Sitz in Essen, Gesellschafter Michael Mronz, und sein Fürsprecher Laschet dem Ganzen einen nachhaltigen Charakter geben wollen, weil sie sich dadurch mehr Rückhalt in der Bevölkerung erhoffen, als es in München und Hamburg der Fall war. Denn dort hatten Volksabstimmungen das Ganze verhindert.
Im letzten Jahr wurde eine Umfrage veröffentlicht, nach der die Mehrheit, nämlich 59 Prozent der befragten Kölnerinnen und Kölner, mit der Arbeit der Oberbürgermeisterin unzufrieden sind. Frau Reker steht an vorletzter Stelle unter allen OBs deutscher Großstädte. Die Hälfte aller Menschen traut keiner der bürgerlichen Parteien zu, die Probleme der Stadt zu lösen. An erster Stelle steht dabei die Verkehrssituation, es folgen die Mieten, Schulen, Umweltbelastungen. Offenbar nicht gefragt war, wie die Situation der Arbeitsplätze und der Auszubildenden in der Stadt beurteilt wird. Die Zinslast der Stadt ist enorm, jährlich sind trotz niedriger Zinssätze über 100 Millionen Euro zu zahlen, niedrige Zinsen garantieren keine dauerhaft stabile Lösung der Probleme. Vor allem garantiert niemand, dass sie niedrig bleiben. Das Verhältnis von Verschuldung und BIP sei schlecht, der durch Verschuldung gewonnene Wohlstand fragil und riskant für die Stadtgesellschaft. Man muss es drastisch formulieren: Sollten die Zinsen steigen, brechen die kommunalen Haushalte zusammen. Und nicht nur sie.
Solche Groß-Events sind nie nachhaltig und vor allem fördern sie nicht den Sport der Bevölkerung. Unsere Schulturnhallen werden dadurch nicht weniger ranzig. Unabhängig von Olympia scheint die Stadt Köln kein großes Interesse daran zu haben, an der Situation ihrer Einwohnerinnen und Einwohner etwas zu ändern. Die Stadtregierung unterwirft sich dem Schuldendiktat von Bund und Land, anstatt sich dagegen zu wehren. Die Stadtoberen hätscheln die ansässigen Konzerne und erlauben alle möglichen Steuervermeidungsstrategien. Die Stadt kassiert über die Gewerbesteuern Einnahmen, hält aber den Hebesatz dafür im unteren Drittel bundesweiter Sätze, sie könnte also selbst was tun, um die Infrastruktur nicht nur an Schulen zu sanieren. Deshalb gilt auch in Köln und NRW: Geld gibt es genug, Zeit es uns zu holen!