Wie die Bundestagswahl aus Sicht des Großkapitals aussieht

Olaf bevorzugt

Hat es Olaf Scholz im Wahlkampf geschadet, dass die Staatsanwaltschaft Osnabrück auf der Suche nach Geldwäsche-Delinquenten das von ihm geführte Finanzministerium durchsuchen ließ? Gingen seine Beliebtheitswerte nach unten, als die Deutsche Bank eine Studie veröffentlichte, die den Finanzplatz Deutschland als „strukturell sklerotisch, außerordentlich wenig profitabel und viel zu ineffizient“ beschreibt und die dem Finanzminister unterstehende Finanzaufsicht (Bafin) nach Strich und Faden kritisiert? Nichts davon. Olaf, der es nicht einmal zum SPD-Vorsitzenden geschafft hat, glänzt weiter mit sagenhaften Beliebtheitswerten. Die Umfragen deuten seit August darauf hin, dass die SPD zum dritten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik bei der Bundestagswahl an diesem Wochenende mehr Stimmen ergattern kann als die CDU/CSU.

Lucas Zeise

Das Groß- und Finanzkapital des Landes scheint nicht besonders erschrocken über diese Aussicht. Die Deutsche Bank jedenfalls zog die Studie mit den keineswegs neuen und zum großen Teil richtigen Aussagen bald nach Erscheinen wieder zurück und distanzierte sich insbesondere von der „unangemessenen Kritik an Aufsichtsbehörden und politischen Entscheidungsträgern“. Dass der Finanzplatz Deutschland anders als der Industriestandort Deutschland weit hinter die ausländische Konkurrenz zurückgefallen ist, ist auch Resultat der fehlgeschlagenen Strategie der größten deutschen Bank selber und ihres fehlgeschlagenen Versuchs, in den USA zu einem „Global Player“ im Investmentbanking zu werden. Mit dem Finanzminister und seinem Staatssekretär Jörg Kukies (zuvor Goldman Sachs) kommt die Bank bei der von Scholz betriebenen Reform der Bafin glänzend klar. Sie will diesen beiden jedenfalls im Wahlkampf keine Knüppel zwischen die Beine werfen.

Die Durchsuchungsaktion im Finanzministerium in Sachen Geldwäsche klingt da zunächst schon übler. Aber ein Skandal wollte die Geschichte für Scholz nicht werden. Nur eine kleine Anzahl der Medien und Konkurrent Armin Laschet versuchten es. Aber die tonangebende Hauptstadtpresse spielte die Angelegenheit schnell herunter. Hier habe eine kleinere Figur, ein Staatsanwalt mit CDU-Connections, sich wichtig machen wollen, hieß es. Die deutschen Banken haben ein gespaltenes Verhältnis zum Thema Geldwäsche, das international von den USA vorangetrieben wird, um ihre Kontrolle über die Kapital- und Geldflüsse zu komplettieren. Da gilt es, den Schein strikter Kontrolle in Deutschland zu wahren und keine scheinbaren oder echten Skandale um parteipolitischer Interessen willen aufzubauschen.

Scholz‘ großer Moment kam im März 2020. Er, der als Finanzminister der großen Koalition bis dahin brav in den Fußstapfen Wolfgang Schäubles dessen Doktrin eines (neu-)verschuldungsfreien Staatshaushalts vertreten hatte, präsentierte sich gleich zu Beginn der Corona-Krise als Retter. Seine Botschaft: Wir sind stark. Wir können uns dieses super Rettungsprogramm von – je nach Berechnungsmethode – 750 Milliarden oder auch 1,8 Billionen Euro leisten. Und wenn wir das Geld nicht haben, können wir uns locker verschulden. Denn wir sind der beste Schuldner der Welt.

Der Wunsch des Kapitals nach einer Aufmöbelung der eigenen Wettbewerbsfähigkeit durch Anstrengungen (sprich Knete) des Staates kann so erfüllt werden. Zur Wettbewerbsfähigkeit zählen bessere Infrastruktur (die Digitalisierung, die Verkehrswege voranbringen!), billige und klimaneutrale Stromversorgung, gut ausgebildete, billige Fachkräfte. Das findet sich auch in den Programmen der anderen Parteien, bei Herrn Laschet und bei Frau Baerbock. Aber keine(r) bringt die Finanzierungsfrage so gut auf den Punkt wie Olaf. Zusatzvorteil: er bindet Gewerkschaften und „Arbeitnehmer“ an sich.

Vom Standpunkt der Großkapitalisten aus gesehen ist ein solcher SPD-Kanzler (mit Lindner als Bremser) eine bessere Wahl als Laschet (mit Merz als Antreiber).

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"Olaf bevorzugt", UZ vom 24. September 2021



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