Milliardenschwere Vereinbarungen beim Petersburger Wirtschaftsforum

Ohrfeige für Sanktionspolitiker

Von Willi Gerns

Mit dem internationalen Wirtschaftsforum in der vergangenen Woche in Petersburg können die russischen Veranstalter mehr als zufrieden sein. Für die führenden Politiker in den USA und der EU, die im Vorfeld nichts unversucht gelassen hatten, um Unternehmer, Politiker und Journalisten aus ihren Ländern von der Teilnahme abzuhalten, bedeutet die gelungene Veranstaltung dagegen eine bittere Enttäuschung.

Wie der russische Präsidentenberater Anton Kobjakow am vergangenen Samstag bei einem Briefing mitteilte, wurden 205 Verträge, Vereinbarungen und Absichtserklärungen im Wert von umgerechnet rund fünf Milliarden Euro abgeschlossen. Die Zahl der Forumsteilnehmer, die aus mehr als 100 Ländern kamen, betrug etwa 10 000. Das gelte auch für die Zahl der angemeldeten Journalisten, die mit 2000 aus 43 Ländern in diesem Jahr doppelt so hoch gewesen sei wie im letzten Jahr, so Kobjakow. Ein Ausdruck internationaler Isolierung Russlands als Folge der Sanktionspolitik, wovon westliche Politiker und Medien gern schwadronieren, ist das alles wohl kaum.

Unternehmen aus Deutschland fürchten,

in Folge der Sanktionen von chinesischen

Konkurrenten verdrängt zu werden.

Zu den Teilnehmern gehörten natürlich Vertreter vieler bedeutender Unternehmen und Politiker aus den BRICS-Staaten und anderen Ländern weltweit, mit denen Russland enge wirtschaftliche und politische Beziehungen unterhält. Vertreten waren aber auch nicht wenige Unternehmen sowie bekannte Ex-Politiker aus den USA und den EU-Ländern, von denen sich einige sehr kritisch zur antirussischen Sanktionspolitik ihrer Regierungen äußerten.

Zu nennen sind hier vor allem der deutsche Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder und der tschechische Ex-Präsident Vaclav Klaus, der in Petersburg erklärte, die Ukrainekrise sei hausgemacht, Russland treffe da keine Schuld.

Besonders schwer im Magen dürfte Washington und Brüssel aber die Teilnahme des griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras am Wirtschaftsforum liegen, also des amtierenden Regierungschefs eines EU-Landes. Tsipras forderte, den „Teufelskreis“ der im Ukrainekonflikt verhängten Sanktionen zu durchbrechen.

Dazu hat er auch allen Grund. Die russischen Gegenmaßnahmen im Agrarbereich treffen sein Land, das zuvor viele landwirtschaftliche Produkte nach Russland liefern konnte, ganz besonders. Außerdem winken der leeren griechischen Staatskasse ab 2019 hunderte Millionen Euro im Jahr an Transitgebühren für russisches Gas durch die in Petersburg vereinbarte neue Pipeline via Griechenland nach Südeuropa. Dies setzt allerdings voraus, dass die griechische Regierung sich dem zu erwartenden Erpressungsdruck aus Brüssel nicht beugen wird, der die zunächst geplante South-Stream-Pipeline über Bulgarien zu Fall gebracht hat.

Viel Kritik an der Sanktionspolitik gegen Russland war auf dem Petersburger Forum auch von Wirtschaftsvertretern zu hören. Als Beispiel dafür sei Hans-Hermann Thiele vom deutschen Bremsen-Hersteller Knorr-Bremsen genannt, der erklärte, er sei wie viele Unternehmer von Anfang an gegen die Strafmaßnahmen gewesen, weil sie die Märkte schädigten. Viele Unternehmen aus Deutschland und anderen EU-Ländern, die seit vielen Jahren erfolgreich im Russlandgeschäft tätig sind und jetzt gezwungen werden ihre Aktivitäten einzuschränken, befürchten nicht zu Unrecht, dass Unternehmen aus China und anderen Ländern, die jetzt die frei werdenden Marktlücken besetzen, umso weniger wieder daraus zu verdrängen sein werden, je länger die Sanktionen andauern.

Besonderen Unmut erzeugt dabei auch der Umstand, dass die USA, die die EU in die Sanktionspolitik getrieben und zu deren immer weiterer Verschärfung treiben wollen, diese Politik selbst weit weniger konsequent als Brüssel umsetzen.

So hat Volker Hellmeyer, der Chefanalyst der Bremer Landesbank, nach „Sputnik Deutschland“ vom 06. Juni die Tatsache als „sehr irritierend“ bewertet, dass der amerikanisch-russische Warenaustausch in dem seit der Verhängung der Sanktionen verstrichenen Jahr um knapp sechs Prozent angestiegen ist, während der EU-Handel mit Russland um rund zehn Prozent schrumpfte. „Ich sehe darin einmal mehr einen Beleg dafür, dass die USA sehr gut darin sind, Regeln aufzustellen, aber nicht notwendigerweise genauso gut darin sind, sich auch an Regeln zu halten. Das wissen wir auch aus früheren Sanktionspolitiken heraus, wo die USA derartige Sanktionen umgangen haben, und das ging regelmäßig zu Lasten konkurrierender Länder auf diesen Märkten.“

Nicht nur ökonomisch, auch politisch sei die Sanktionspolitik fraglich, meint der Analyst. „Es gibt aus der Historie von Sanktionen einen ganz klaren Beleg dafür, dass Sanktionen grundsätzlich nicht zu den angestrebten Zielen führen. Insofern halte ich diese Sanktionspolitik für vollkommen fehlgeleitet. Fehlgeleitet auch aus dem Grunde, weil die Grundlagen für die Sanktionen immer wieder Anschuldigungen waren, die dann im späteren Verlauf nicht notwendigerweise verifiziert worden sind.“

Und das gilt mehr denn je für die abenteuerlichen antirussischen Horrorgeschichten des oligarchisch-faschistischen Kiewer Regimes, die von den Politikern und Medien in den USA und der EU als Begründung für die Sanktionspolitik übernommen werden.

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"Ohrfeige für Sanktionspolitiker", UZ vom 26. Juni 2015



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