Ohne Zwischentöne

Werner Sarbok über die Verteufelung der DDR

Am Dienstag jährte sich zum 70. Mal der Gründungstag der Deutschen Demokratischen Republik. Die derzeit Herrschenden in unserem Land übertrafen sich mit den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten, Kübel voller Jauche auf diesen Staat auszuschütten, und es mangelte ihnen nicht an Ideen, diesen Staat zu delegitimieren.

In Reden und Medien war Platz für alles, bloß nicht dafür, auch nur ansatzweise die Hintergründe der Gründung und Entwicklung der DDR darzustellen, des einzigen deutschen Staates, der die Lehren aus Faschismus und Krieg ziehen wollte. „Zwischentöne sind nur Krampf im Klassenkampf!“, hat unser Franz Josef Degenhardt einmal in einem Lied formuliert und erntete dafür auch Nachfragen und Kritik aus unseren Reihen – derlei Befindlichkeiten gibt es bei der anderen Klasse nicht.

Es lohnt sich nicht, diese ausgekippte Jauche zu analysieren. Es geht nicht um Kritik, um Fehler, Fehlentwicklungen oder einzelne Aspekte dieser DDR. Sollte es in irgendwelchen der Reden oder staatskünstlerischen Aufarbeitungen um diesen Staat gegangen sein, müsste ja womöglich auch mal ein positiver Aspekt aufgefallen sein.

Es ging den Akteuren in diesen Tagen darum zu verteufeln, was es heißt, Lehren aus Faschismus und Krieg zu ziehen. Es ging darum, jede und jeden ins Abseits zu stellen, die oder der Alternativen zu einem kapitalistischen Wirtschaftssystem für möglich und realisierbar hält. Die DDR hat das umgesetzt, mit vielen Stärken und vielen Schwächen. Aber konsequent.

Das Objekt der Hassprediger sind nicht reale oder von ihnen ausgemachte Schwachpunkte der DDR, Fehler oder Ungerechtigkeiten dieses Staates. Ihre grenzenlose Wut richtet sich gegen die Anmaßung, einen Staat ohne Kriegstreiber oder Kriegsprofiteure – ohne Krupp und die Deutsche Bank – aufzubauen.

In der Bundesrepublik blieb die wirtschaftliche Macht in den Händen derer, die die Nazis an die Macht finanziert hatten, als Bollwerk gegen die Arbeiterbewegung, auch weil sie sich vom Krieg für den großdeutschen Wahn ungeheure Profite versprachen. Während die alten Nazis in der jungen Bundesrepublik ihre bewährte Arbeit in der Polizei, in der Justiz, in den Verwaltungen, als Lehrer fortführten, ging die DDR konsequent einen anderen Weg. Das durfte und darf nicht sein.

Mit der Delegitimierung der DDR einher geht die Missachtung der Biographien derjenigen, die in diesem Staat gelernt, gelebt, geliebt und gearbeitet haben, erst recht, wenn sie aus ihrer Überzeugung heraus diesen Staat aufgebaut und geschützt haben. Und jede dieser Festreden der Siegerjustiziare vergrößert die Spaltung in Deutschland, weil die Bürger der DDR nicht im Paradies, aber auch nicht 40 Jahre auf Bäumen gelebt haben.

Wir Kommunisten haben es nicht nötig, die DDR zu idealisieren. Wir stehen zu ihr, zu ihren Errungenschaften, aber auch zu ihren Defiziten. Nicht aus Traditionspflege, sondern von der Überzeugung geleitet, dass der Kapitalismus nur dann das Ende der Geschichte ist, wenn wir ihm die Möglichkeit lassen, die Geschichte der Menschheit durch Kriege oder durch Zerstörung unserer Umwelt zu beenden.

Und dieses Potential hat er zweifellos – wie die Arbeiterklasse das Potential hat, das zu verhindern.

Die Gründung der DDR beinhaltete auch die Umsetzung des Schwurs von Buchenwald: „Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.“ Da hört in der offiziellen BRD aber jeder Spaß auf.

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"Ohne Zwischentöne", UZ vom 11. Oktober 2019



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