Verhaftung nach Friedensaufruf – Gewerkschaftliche Solidarität gegen Repressionen

Ohne Witz: Mit dem Sultan ist nicht zu spaßen

Von Uwe Koopmann

Gewerkschafter verschiedener Einzelgewerkschaften führten in Deutschland erfolgreich eine Solidaritäts- und Unterschriftenkampagne durch. Sie bekundeten damit ihre Solidarität mit den Gewerkschaftern aus der Türkei, die sich wiederum mit den türkischen Wissenschaftlern und Akademikern in der Türkei solidarisieren. Diese hatten zuvor öffentlich einen Friedensaufruf in der Türkei gemacht. Die Repressalien des Erdogan-Regimes machten dann auch vor ihnen keinen Halt. Viele von ihnen wurden inhaftiert.

In dem Aufruf, der jetzt auch im DGB-Haus in Düsseldorf vorgestellt wurde, heißt es: „Vor wenigen Wochen wandten sich über 2 200 WissenschaftlerInnen und AkademikerInnen des Landes mit einer gemeinsamen Erklärung an die Öffentlichkeit. Sie fordern das sofortige Ende des Bürgerkrieges in den kurdischen Gebieten und die Wiederaufnahme der Friedensverhandlungen. Eine Aktion, wie sie in einem demokratischen Land ganz selbstverständlich ist. Aber nicht so in der Türkei. Bereits nach wenigen Tagen wurden 19 Akademiker von der Universität Kocaeli festgenommen und warten auf ihre Verurteilung. Viele andere Unterzeichner erhielten Morddrohungen, Kündigungen und Berufsverbote. Die AKP-Regierung führt eine politische Lynchkampagne gegen die Akademiker für Frieden.“

Mit den Wissenschaftlern solidarisierten sich 257 haupt- und ehrenamtliche Gewerkschafter der Organisationen Türk-IS, DISK, KESK und aus unabhängigen Verbänden. In dem Aufruf „Wir wollen Frieden und eine gemeinsame Zukunft“ werden Einschüchterungen, Einschränkungen der Meinungsfreiheit, Gewalt der Regierung verurteilt.

Detailliert stellte Suleyman Ates die Kriegsfolgen im Osten der Türkei vor: Hunderttausende Schüler sind ohne Unterricht, Tausende Lehrer dürfen nicht unterrichten, über tausend Schulen sind geschlossen, Schüler verlassen ohne Abschluss die Schulen. Eine international zusammengesetzte Delegation wollte sich einen Einblick in die Verhältnisse verschaffen. Sie kamen aber nicht in das Kurdengebiet, da ihnen Lebensgefahr drohte. Stattdessen gab es Gespräche auf diplomatischer Ebene. Sogar der Botschafter wurde kontaktiert.

Die Gewerkschafter führten ein klares Wort. Scharfe Kritik gab es an Bundeskanzlerin Angela Merkel, die zumindest öffentliche Kritik an Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan offensichtlich scheue. Der Eindruck, sie lasse sich wegen der Deportation von Flüchtlingen erpressen, komme immer wieder auf. Kritisiert wurde, dass die „europäischen Werte“, demokratische und gewerkschaftliche Rechte nicht eingefordert würden.

Mit Nachdruck unterstrichen die Gewerkschafter ihre Forderungen nach einem Abzug der türkischen Waffen aus dem Osten des Landes, nach Friedensverhandlungen, Beendigung der Verfolgungen, Aufdeckung der Regierungskriminalität und Freiheit für alle politischen Gefangenen.

Am Freitag, dem 22. April, stehen wieder Gewerkschafter und Journalisten in der Türkei vor Gericht. Das Ausland wurde mit Nachdruck aufgefordert, mit eigenen Aktivitäten auf den „neuen Sultan“ einzuwirken.

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"Ohne Witz: Mit dem Sultan ist nicht zu spaßen", UZ vom 22. April 2016



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